Sklavin des Herzens
Zustand der Anstößigkeit herumzuliegen.
»Lalla Rahine, Haji Agha.« Chantelle bedachte die beiden mit einem kaum bemerkbaren Nicken, um ihnen einen Hauch von Respekt zu erweisen. »Wünschen Sie etwas von mir?«
»Welchen Duft tragen Sie?« fragte Rahine unvermittelt.
»Rosenöl.«
»Etwas Sinnlicheres wäre mir lieber, aber ich denke, Rosenöl genügt auch.« Rahine schickte das Mädchen Oma weg, das sich ihr mit dem verlangten Duftkästchen genähert hatte, und richtete ihre nächste Frage an Adamma. »Wurde sie heute gründlich gebadet?«
Adamma befand sich in einem Zustand des Schocks und war sprachlos, da Lalla Rahine sie zum erstenmal anredete. Chantelles Augen verengten sich bei diesen sinnlosen Fragen. Was sie betraf, so ging ihre Sauberkeit niemanden etwas an. Mußten sie hier denn in allem herumschnüffeln?
Ärger stieg in ihr hoch, und nachdem sie die letzten drei Tage nur mit Hinweisen auf Sexuelles vollgestopft worden war, sagte sie gedehnt: »Also, Lalla, Sie könnten von mir essen, so sauber bin ich. War es das, was Sie wissen wollten?«
Rahines Lippen zuckten, doch sie kämpfte gegen das Lächeln, das sich ihr aufdrängte. »Haji, Sie müssen Jamil darüber informieren, daß er diese Möglichkeit hat.«
»Vielleicht findet er, daß das ein einmaliges Erlebnis ist«, meinte der alte Eunuche mit unverhohlenem Grinsen.
»Einen Moment …«, sagte Chantelle, doch dann wurde sie von einer Dienerin abgelenkt, die auf sie zugerannt kam. Über den Armen trug sie die feinste Seide, die Chantelle je gesehen hatte – in einem herrlichen Lavendelblau.
Der Stoff wurde vorsichtig auf der Bank neben ihr ausgebreitet, und nun sah sie, daß es sich nicht nur um Seidenmaterial handelte, sondern um ein fertiges Gewand, wie sie es bereits zu tragen gewöhnt war. Die seidenen Pantalons waren mit einem Silberfaden durchwirkt, so daß sie bei der geringsten Bewegung glitzerten. Chantelle stieß einen leisen Laut aus, als sie bemerkte, daß die kleine Weste von silbergefaßten Amethysten eingesäumt war. Durchsichtige Schleier in derselben Farbe lagen daneben und einen aufregender Stirnreif aus Silber, Perlen und viel größeren Amethysten, an den die Schleier zu befestigen waren. Die Vervollständigung bildeten seidene Pantoffeln, mit purpurroten Edelsteinen bestickt.
Es war eine Garderobe, schöner und eleganter als alles, was Chantelle bisher im Harem gesehen hatte, eine Garderobe, die eines Königs würdig gewesen wäre oder … der Lust des Herrschers ! Bei diesem gräßlichen Gedanken suchte ihr Blick den von Rahine, aber sie konnte im Ausdruck der älteren Frau nichts Beunruhigendes entdecken. Außerdem hatte man ihr versichert, daß sie vor Beendigung ihrer Sexausbildung nicht gerufen werden würde, und diese Ausbildung hatte gerade erst begonnen. Man hatte ihr zusätzlich versichert, daß sie nicht gerufen werden würde, ehe sie zugenommen hätte, und sie hatte erst ein oder zwei Pfund zurückgewonnen, gerade genug, um ihre Wangen weniger hohl erscheinen zu lassen.
»Ist dieses Kostüm für mich?« fragte Chantelle Rahine.
Rahine hatte den vorübergehenden Ausdruck von Furcht in den Augen der jungen Engländerin nicht übersehen. Aber sie hatte sich ja auch seelisch auf eine königliche Schlacht vorbereitet, eine Schlacht, die das Mädchen natürlich nicht gewinnen konnte.
Einen Moment lang zog sie in Erwägung, Haar anzulügen. Das hätte alles erleichtert. Man hätte sie schnell anziehen und ohne Zwischenfall zu Jamils Appartement bringen können. Und Rahine hätte verhindert, daß das Mädchen sie haßte. Bei diesem Gedanken stellte sie überrascht fest, daß sie sich Shahars Haß nicht zuziehen mochte.
Rahine seufzte, denn sie wußte, daß sie sich nur selbst betrog. Keinesfalls durfte sie zulassen, daß sich der Kampf auf Jamils Türschwelle abspielte. Die Folgen hätten den ganzen Palast berührt, und das konnte sie nicht riskieren, selbst dann nicht, wenn sie Jamils Verärgerung in Kauf nahm, was sie sowieso nicht wollte. Außerdem – durch eine Lüge würde sie Shahars Haß ebenfalls herausfordern.
Aber wenigstens konnte man sie zuerst ankleiden. »Gefällt es Ihnen?« fragte Rahine mit einem Lächeln. »Ich wußte sofort, daß die Farbe Ihnen stehen würde. Und ich dachte, Sie verdienen etwas Hübsches, nachdem Sie sich ohne weiteren Wirbel hier eingefügt haben.«
Chantelle sah Haji an, denn sie mißtraute dieser unwahrscheinlichen Bemerkung, doch als er schwieg, lächelte auch sie.
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