Sklavin des Herzens
»Dann danke ich Ihnen. Es ist bezaubernd.«
»Gut, worauf warten Sie noch? Ziehen Sie es an, damit ich sehen kann, wie Sie ausschauen. Meine Frauen werden Ihnen helfen.«
»Nein«, erwiderte Chantelle höflich, aber bestimmt. »Ich habe nun Adamma, die mir hilft.«
Rahine betrachtete das Mädchen, das noch neben der Bank kniete. »In Ordnung, aber beeile dich, Adamma.« Zu Haar sagte sie: »Ich stehe unter Zeitdruck.«
Wenn Chantelle das nicht verstand, so verstand Adamma es bestimmt, aber sie hatte zuviel Angst vor der Mutter des Herrschers, um ihre Herrin zu warnen. Aus gewissen Andeutungen, die Haar in den letzten Tagen gemacht hatte, wußte Adamma, warum Lalla Rahine die Wahrheit bis zum letzten Augenblick verschwieg. Selbst als sie sich nur zu zweit in einen kleineren Raum begaben, sagte die Kleine nichts, doch sie betete stumm, weil auch sie erkannte, daß ihre Herrin sich wehren würde gegen etwas, das viel früher eintrat als erwartet.
Da sie Rahines Warnung vor allem anderen im Kopf behielt, hatte sie Haar in Rekordzeit angezogen. Nun stand sie da und war verblüfft wie solch feine Kleidungsstücke die blasse Schönheit ihrer Herrin steigern konnten.
»Ist es so übel?« meinte Chantelle mit einem Lächeln.
Adamma schrak zusammen. »Oh, nein, Lalla. Seine Hoheit wird Sie schöner finden als den Gesang des Kolibris, schöner als …«
»Oh, rede keinen Unsinn, Adamma. Und die Meinung Seiner Hoheit zählt sowieso nicht, da er mich nicht sehen wird. Doch ich möchte mich gern selbst sehen. Sagtest du nicht, es gäbe einen Spiegel in Safiyes Appartement? Was glaubst du, wieviel ich ihr geben muß, um sie zu bestechen, damit sie mich einen Blick hineinwerfen läßt?«
»Ich … ich …«
»Oh, mach dir keine Gedanken. Vielleicht kann Lalla Rahine es arrangieren.«
Mit der Absicht, um diese Gunst zu bitten, kehrte Chantelle in den Hauptraum zurück. Sie blieb jedoch stehen, als sie feststellte, daß alle Konkubinen den Raum verlassen hatten. Nur Rahine, Haji und zwei andere Eunuchen, die inzwischen hereingekommen waren, waren anwesend. Einer der Schwarzen war Kadar, doch Chantelle schenkte ihm nicht einmal ein flüchtiges Lächeln. Ihr Blick suchte die smaragdgrünen Augen von Jamils Mutter.
»Die Farbe steht Ihnen tatsächlich hervorragend, Haar.«
Chantelle ging langsam weiter. »Danke, aber würden Sie so freundlich sein, mir zu sagen, warum Sie die anderen weggeschickt haben? Es war doch Ihr Befehl, oder?«
Rahine ging noch einen letzten Schritt auf Chantelle zu, um ihr die Wange zu küssen. »Es tut mir leid, Kind, aber Haji wird Sie jetzt zu Jamil bringen.«
»Ist das normal? Ich dachte, ich sollte ihn erst sehen, wenn …« Die Worte verhallten, und alle Farbe wich aus Chantelles Gesicht. »Nein.« Es war ein kaum hörbares Flüstern.
Ruhig stellte Rahine fest: »Jamil besitzt Sie. Das ist eine Tatsache, die nicht einmal Sie leugnen können. Und er hat beschlossen, nicht zu warten, bis Ihre Schulung vervollständigt ist. Er wünscht, daß Sie jetzt zu ihm kommen.«
»Das tue ich nicht«, wisperte Chantelle.
»Doch, Sie werden es tun«, beharrte Rahine. »Sie haben keine Wahl.«
Die Worte »keine Wahl« waren es, die Chantelles Entsetzen durchbrachen und ihr Temperament entfachten. »Zur Hölle damit!« schrie sie und vergaß sich genügend, um in die englische Sprache zu fallen. »Ich werde nicht einmal in die Nähe dieses … dieses … Menschen gehen. Sie werden mich zu ihm hinschleppen und festhalten müssen, damit er die böse Tat begehen kann …«
»Das dürfte uns keine Probleme bereiten«, entgegnete Rahine kalt.
»Sie würden das doch nicht machen«, stammelte Chantelle.
»Im Gegenteil.«
Chantelles Augen weiteten sich anklagend, während sie rief: »Sie sprechen Englisch!«
»Ich bin Engländerin.«
»Dann ist er ein halber Engländer? Oh Gott, das verschlimmert alles.«
»Ich sehe nicht ein, warum …«
»Sie sehen überhaupt nichts ein! Sie sind schon zu lange hier. Sie denken wie die Moslems. Sie handeln wie sie. Sie sind keine Engländerin mehr, sonst würden Sie mich nicht zu dieser Sache zwingen.«
»Nicht ich zwinge Sie, Haar, sondern die Umstände, die Sie hergebracht haben. Als Sie zur Sklavin gemacht wurden, haben Sie Ihre Freiheit der Wahl verloren. Nun tun Sie, was Ihr Meister will, sonst müssen Sie die Folgen tragen.«
»Rahine«, unterbrach Haji sie schließlich. »Wir haben keine Zeit für Diskussionen.«
»Ich weiß.« Rahine seufzte und wandte sich
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