Sklavin des Herzens
beweist, welche Macht diese Blondine über ihn besitzt, daß sie ihn so aufregen konnte. Ich denke, es wäre klug, wenn wir sie in Zukunft mit äußerster Sorgfalt behandeln würden.«
»Ich werde sehen, daß alle ihre Wünsche erfüllt werden, wenn sie es verdient«, sagte Rahine mit finsterer Miene. »Es kommt nicht in Frage, daß ich seine Frauen plötzlich anders behandle, nur, weil er es tut.«
Haji schüttelte den Kopf über solchen Starrsinn, aber ohne diese Störrigkeit wäre Rahine nicht Rahine gewesen. »Werden Sie sich wenigstens um Ihre berühmte Selbstbeherrschung bemühen, was Haar betrifft? Sie scheint die Macht zu besitzen, Ihnen und Ihrem Sohn die Überlegenheit zu rauben.«
Rahine gab einen sehr undamenhaften Laut von sich, der dem Eunuchen ein Grinsen entlockte. Dann meinte sie: »Ich vermute, daß Sie schon jemanden beauftragt haben, das Mädchen in die Bäder zu bringen?«
»Selbstverständlich. Das Fest dauert ja nur ein paar Stunden.«
»Schon wieder sollen wir Wunder vollbringen. Meinetwegen! Welche Farbe haben Sie für Haar ausgesucht?«
»Blau, um ihre Nerven zu beruhigen – und sein hitziges Temperament, falls es wieder mit ihm durchgehen sollte, was Allah verhüten möge.«
Rahines Lippen zuckten: »Sehr angemessen! Man kann sich eben auf Sie verlassen, daß Sie immer an alles Nötige denken. Ich werde meine Saphire bereitstellen, um Ihre Wahl zu vervollständigen. Hoffentlich hat Haar das nächstemal, wenn er sie ruft, ihre eigenen Juwelen.«
»Ihre Einstellung verbessert sich zusehends, Rahine.«
»Beten wir, daß sich die der Engländerin ebenfalls verbessert.«
Ihre Gebete wurden nicht erhört. Eine der Badefrauen begegnete ihnen, ehe sie den Hammam erreichten.
Atemlos vom Laufen, rief sie verängstigt: »Sie müssen sich beeilen, Lalla! Kadar hat Schwierigkeiten, die Engländerin zurückzuhalten, ohne ihr weh zu tun.«
»Zurückzuhalten – wieso?«
»Sie wehrt sich gegen ihn, Lalla.«
Rahines Gesichtsausdruck ließ nichts Gutes ahnen. »War jemand dumm genug, ihr zu sagen, daß der Herrscher sie gerufen hat?«
Die entsetzten Augen des Mädchens waren Antwort genug.
»Sie können den Mädchen keinen Vorwurf machen, Rahine«, sagte Haji vernunftgemäß, obwohl auch er jetzt die Brauen zusammenzog. »Jeder hält es für eine Ehre …«
»Jeder im Harem weiß, warum Haar in die Küche verbannt wurde! Hier können keine Geheimnisse bewahrt werden!« Rahine stöhnte. »Oh, es ist egal. So steht es also um unsere Hoffnung, die Person könnte sich gebessert haben!« Entschlossen fuhr sie fort: »Haji, Sie müssen ein Mittel besorgen, um sie ruhigzustellen – und zwar schnell. Bei allen Vorbereitungen, die wir noch mit ihr treffen müssen, ist keine Zeit für großes Theater. Wir sehen uns im Bad.«
Rahine rannte den restlichen Weg zum Hammam, der glücklicherweise um diese Zeit des Abends leer war, von einigen Badefrauen abgesehen.
Das, was sie dort sah, hätte man im ersten Moment für eine Umarmung halten können, denn Hajis Sklave Kadar umfaßte Haar von hinten und neigte den Kopf zu ihrem Ohr. Beim zweiten Blick war die Illusion zerstört: Kadars Wange wies zwei blutige Striemen auf, seine Arme waren mit kleinen Kratzern übersät, und seine Hände hielten die Fäuste der jungen Frau, die sie über der Brust gekreuzt hatte. Shahars Gesicht war feuerrot von ihrem wilden, aber vergeblichen Befreiungskampf. Sie schien die beruhigenden und flehenden Worte, die der Eunuche ihr ins Ohr flüsterte, überhaupt nicht zu hören.
»Also sind wir wieder soweit, Gewalt anzuwenden, oder?«
Chantelle sah Rahines mißbilligende Miene und fauchte: »Fahren Sie zur Hölle, Madame!«
Rahine hielt ihre Zunge im Zaum. »Ich hoffe, wir müssen dieselben Argumente nicht wiederkäuen, denn die Folgen Ihres eventuellen Widerstandes gegen Ihren Meister gelten immer noch, wie Sie wissen.«
»Mein sogenannter Meister ist nicht da, und wenn er da wäre, können Sie verdammt sicher sein …«
Der Rest dieser ungestümen Feststellung wurde abgewürgt, denn Kadar verstärkte den Druck seiner Arme um Chantelles Körpermitte.
Rahine kam näher und hob das Kinn der jungen Frau. Sie entdeckte grenzenlose Wut in den verengten veilchenblauen Augen. Wenn Blicke töten könnten …
»Dann sind Sie offensichtlich unfähig, aus Ihren Fehlern zu lernen. Sie sind nicht bereit, in die angenehmeren Gefilde zurückgebracht zu werden?«
»Niemals!« Chantelle fügte anklagend hinzu: »Sie sagten, er würde
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