Sklavin des Herzens
dieser Nachricht einen so schneidenden Stich empfand. Sie sagte sich, die schlaflose Nacht sei schuld daran. Von ihr aus sollte Jamil doch Orgien feiern, Hauptsache, sie war nicht inbegriffen. Es sah nicht so aus, als ob er sie je wieder zu sich holen würde. Er schickte sie zur Arbeit als Küchensklavin und machte munter weiter mit seinen gewohnten Unzuchtsgeschichten. Rahine hatte wahrscheinlich recht – sie würde in diesen düsteren, unfreundlichen Gewölben vergessen werden.
Schön und gut. Darauf hatte sie doch von Anfang an gehofft: jeden Weg zu gehen, nur nicht den einer Konkubine. Es wäre nur besser gewesen, wenn sie nicht als Haremsfrau begonnen hätte, denn diese Tatsache brachte ihr den Haß mancher Sklavinnen ein, deren Existenz sie jetzt teilte. Nicht aller, natürlich. Gestern hatte sie Adammas Mutter kennengelernt und fand sie so liebenswert wie ihre Tochter.
Fayolo war eine schöne Nigerianerin, die viel zu jung erschien, um eine Tochter in Adammas Alter zu haben. Doch sie hatte Chantelle ohne Scheu erzählt, daß sie schon als reife Dreizehnjährige die Aufmerksamkeit der Palastwächter erregt hatte. Daß die Küchensklavinnen Zugang zu anderen Teilen des Palastes hatten, war neu für Chantelle und erfüllte sie mit Hoffnung, bis die Chefköchin sie anfauchte, das gelte nicht für sie – aufgrund von Rahines Befehl. Natürlich fügte das dem Groll, der bereits in Chantelle brodelte, eine weitere Dosis hinzu.
Ein großes Zimmer neben der Küche mit einem Strohsack auf dem kalten Boden diente Chantelle als Schlafraum und Gefängnis. Sie zweifelte nicht daran, daß Jamil sie hierhergeschickt hatte. Offenbar hatte er das veranlaßt, ehe er aus dem Palast gestürmt war. Wenn er Rahine die Strafe überlassen hätte, wäre sie, Chantelle, bestimmt brutal geschlagen worden, so wütend war die Dame gewesen. Nein, Jamil hatte sie in dieses Loch gesteckt und wahrscheinlich gedacht, das würde sie mehr als alles andere beschämen, sie würde dem verwöhnten Leben im Harem nachtrauern und wünschen, sie sei netter zu ihrem Gebieter gewesen. Hah! Er hatte ihr das verschafft, was sie selbst nicht hatte erreichen können: seiner Nähe zu entkommen. Wenn nun genügend Zeit verstrich, würde er sie vergessen. Und was sie schon früher erkannt hatte: Warum sollte er sich noch einmal mit ihr herumplagen, wenn so viele Frauen beteten, von ihm bemerkt zu werden.
Sie mußte die Vorteile zusammenzählen. Mochte der Arbeitsplatz auch nicht angenehm sein, so war ihr durch den Aufenthalt bei Tante Ellen eine Küche doch vertraut, denn sie hatten dort ihre Mahlzeiten gekocht. Die polternde Köchin, die so schnell schimpfte und Ohrfeigen austeilte, mochte keine einfache Lehrherrin sein, aber mit ihr würde Chantelle im Lauf der Zeit schon auskommen. Hauptsache, in diesen Gefilden brauchte Chantelle nicht zu befürchten, vom gnädigen Meister in sein Bett gerufen zu werden. Das wog alles andere auf – die Feindseligkeiten, den Spott, die ständige Arbeit, sogar eine Ohrfeige von der Chefköchin, wenn sie etwas falsch machte. Außerdem konnte sie viel leichter aus der Küche fliehen als aus dem Harem, wo jede Tür bewacht wurde. Aber das galt für später, wenn man sich an sie gewöhnt hatte und sie nicht mehr ständig neugierig beobachtet wurde.
Heute wollte Noura ein Festessen für den Herrscher bereiten lassen, an dem nur die Ehefrauen und Favoritinnen teilnehmen sollten. Chantelle wurde schon vor dem Morgengrauen geweckt, um Fayolo beim Rösten eines Jungschafes zu helfen. Als erstes kam ihr das Frühstück hoch, als sie beobachtete, wie Fayolo ein Messer in die Schlagader des Tieres stieß und das Blut hochspritzte. Auch beim Häuten wurde ihr übel. Die anwesenden Frauen lachten herzlich über Chantelles Empfindlichkeit.
Während das Lamm briet, wurde die junge Frau mit allen möglichen niederen Arbeiten überhäuft. Die Chefköchin achtete darauf, daß Fayolo ihr nichts davon abnahm. Zuerst dachte Chantelle, die Küchenmeisterin sei so bösartig, aber dann hörte sie von den anderen, daß Noura angeordnet hatte, Chantelle müsse bei jeder Vorbereitung mit Hand anlegen.
Eine Sekunde lang wünschte sie, Gift zur Verfügung zu haben. Doch als das prachtvolle Essen dann seinen Anfang nahm, sehnte sie sich nur mehr nach ihrem Strohlager. Sie war total erschöpft, ihr Haar und ihre Kleidung feucht von Schweiß, und sie konnte die Augen kaum mehr offenhalten. Dabei durften die Küchensklavinnen nicht ruhen, bis die
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