Sklavin des Herzens
öfters den Kanal überquert hatte. Der gute alte Marsh wäre über diese Sorglosigkeit entsetzt!
Die Reiter wurden erst im letzten Moment langsamer, woran Derek erkannte, daß ihm tatsächlich ein Kampf bevorstand. Am besten wäre er davongaloppiert. Die Kerle härten den weißen Hengst niemals eingeholt. Aber Derek floh nicht.
Er traf seine Entscheidung in dem Bruchteil einer Sekunde, ehe ein Krummsäbel vor ihm die Luft durchschnitt, um seinen Schädel zu spalten. Er duckte sich und stellte fest, daß die Angreifer nicht schlau genug waren, von zwei Seiten auf ihn loszugehen. Als der erste Mann nach dem erfolglosen Hieb an ihm vorbeiglitt, kamm der zweite von derselben Seite und versuchte, auf Derek zu springen und ihn vom Pferd zu schleudern. Ihn traf Dereks Fuß mitten in die Brust, so daß er in seinen Sattel zurückfiel. Bei dem Versuch, sein Gleichgewicht wiederzuerlangen, fiel ihm die Waffe aus der Hand.
Derek wandte sich nun blitzschnell dem ersten Kerl zu, der erneut zum Angriff ansetzte. Es gelang ihm, seinen Hengst zum Aufbäumen zu bringen und die Vorderbeine im kritischen Moment auf den Gegner herabsausen zu lassen. Ein Schrei verriet, daß die Hufe des Hengstes den Angreifer getroffen hatten. Das Pferd des Mannes war aber auch verletzt, denn seine Vorderbeine knickten ein, und der Angreifer flog über den Kopf des Tieres auf den Boden. Dort blieb er liegen, preßte die Hand gegen die rechte Schulter und brüllte vor Schmerz.
Als Derek sich dem anderen Schurken wieder zuwenden wollte, stellte er grinsend fest, daß der Feigling längst das Weite gesucht hatte. Sein Umriß war in der Ferne noch wie ein Schatten zu sehen. Derek stieg ab und hob den Säbel auf, ehe er sich über den gestürzten Mann stellte. Der Bursche begann sofort um Gnade zu heulen, doch Derek hatte nicht die Absicht, ihn zu töten. Er wollte ihn zum Palast mitnehmen und Omar übergeben. Es bestand eine geringe Chance, daß er etwas mehr wußte als die übrigen gedungenen Mörder, die gefangen worden waren.
Derek schlug mit dem Griff des Säbels auf den von einem Turban bedeckten Kopf des Mannes. Sofort trat Schweigen ein. Nun untersuchte Derek das Pferd des Burschen, das aufgestanden war und fügsam dastand. Es war wohl verletzt, aber vermutlich doch noch fähig, einen schlaffen Körper in die Stadt zurückzutragen. Wenn nicht, würde Derek den erfolglosen Burschen hinter seinem Hengst herziehen. Für jemanden, der sich gerade bemüht hatte, ihn umzubringen, konnte Derek nicht viel Mitgefühl empfinden.
25
Die anderen Sklaven wußten nicht, was sie von Chantelles Anwesenheit in der Küche halten sollten. Einige waren gehässig, einige verständnisvoll und einige wagten überhaupt nicht, die junge Frau anzureden. Offenbar war nie zuvor eine Konkubine aus dem königlichen Harem zu Küchenarbeit verurteilt worden. Und den wenigen abträglichen Bemerkungen, die ihr zu Ohren kamen, entnahm sie, daß ihre Ablehnung dem Herrscher gegenüber absolut einmalig war. Nachdem jede Frau sich in dem Bestreben überschlug, dem Pascha zu Gefallen zu sein, brauchte man sich nicht zu wundern, daß eine Bestrafung in Form von Küchendienst nie vorkam.
Chantelle wurde als Monstrum angesehen, ihr Verbrechen als schändlich. Gott, wie absurd! Sie selbst konnte in ihren Handlungen nichts Schlimmes erkennen. Natürlich hatte sie vor zwei Tagen noch anders gedacht, als man sie in das tiefliegende Küchengeschoß geschleppt und der Chefköchin unterstellt hatte. Sie war völlig verängstigt gewesen. Die große, breite Frau hatte sich nach einem kurzen Blick angewidert abgewendet, in der Annahme, sie könne aus so einem blassen, dürren Gespenst nie eine Arbeitsleistung herausholen.
Nach Rahines Abschiedsworten hatte Chantelles Furcht einen sehr realistischen Hintergrund gehabt. Sie wußte nicht, warum der Herrscher sich in Lebensgefahr befand, wenn er den Palast verließ, doch daß es so war, entsetzte sie. Sie hielt sich für schuldig an seinem Ausritt und glaubte fest daran, daß sie ihr Leben verwirkt hatte, wenn er nicht zurückkam. In dieser Nacht hatte sie nicht geschlafen, denn niemand hatte es der Mühe für wert befunden, ihr mitzuteilen, daß Jamil gesund in den Palast zurückgekehrt war. Sie hatte es erst in der Küche erfahren, als eine von Nouras Dienerinnen – Noura war Jamils zweite Ehefrau – herumstolziert war und prahlend verkündet hatte, er habe ihre Herrin in der Nacht zu sich gerufen. Chantelle wunderte sich, daß sie bei
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