Sklavin des Herzens
dachte, sie sei zu gelähmt, um einen Muskel zu rühren. Oder hatte das Luftanhalten sie verraten?
Seine Hand glitt in ihr Haar. »Ich weiß, daß du wach bist, Haar. Es ist sinnlos, dich zu verstellen.«
Sie hob den Kopf gerade soviel, um ihm ins Gesicht sehen zu können, aber sie vermochte nicht in seinen Zügen zu lesen. »Haben wir … haben Sie … ?«
»Wenn ich es tue«, unterbrach er sie mit zuckenden Lippen, »brauchst du nicht mehr zu fragen.«
»Ich glaube Ihnen nicht«, erklärte sie waghalsig. Sie war bekümmert, daß sie sich an nichts erinnerte.
»Du trägst noch deine Kleider, wie du feststellen kannst. Glaubst du wirklich, ich würde mir die Mühe machen, dich nach dem Liebesakt wieder anzuziehen? Ganz bestimmt würde ich das nicht tun.«
Sie sah auf ihre Brust herab. An der kleinen blauen Weste war jeder Knopf noch geschlossen, und nun fühlte sie den dünnen Stoff ihrer Hose unter der Bettdecke. Sie blickte Derek wieder an.
Ihre Augen waren anklagend verengt. »Was mache ich dann hier?«
Er lächelte ihr zu. »In meinem Zimmer, oder in meinem Bett?«
»Oh, Gott!«
Er lachte so heftig, daß ihr Kinn auf seine Brust stieß. Sie setzte sich sofort aufrecht hin und betrachtete ihn zornig. »Ich sehe nicht …«
In der nächsten Sekunde lag Chantelle wieder flach auf dem Rücken, und Derek beugte sich über sie, aber nicht so nahe, daß sie erschrak – noch nicht. »Du siehst nichts, Haar, und erkennst nichts, weil du dich an nichts erinnerst, oder? Was, zum Teufel, hast du gestern gemacht, daß du so erschöpft warst?«
Als ob er das nicht gewußt hätte! Nein, sie mußte fair sein. Er mochte sie zwar in die Küche geschickt haben, aber seine zweite Frau hatte dafür gesorgt, daß Chantelle nicht zur Ruhe gekommen war. Am Tag zuvor hatte sie öfters kleine Schlafpausen einlegen können. Aber gestern … Sie überlegte, ob Noura gewußt hatte, daß Jamil sie, Chantelle, für die Nacht rufen würde, oder ob Noura nur aus Gehässigkeit gehandelt hatte. Aber im Grunde war es doch egal, verglichen mit den Vorkommnissen in den Bädern.
Langsam kehrte die Erinnerung zurück, und mit ihr die Angst. Wenn Chantelle nicht so übermüdet gewesen wäre, hätte sie sich nie so benommen, aber das war keine Entschuldigung. Sie hatte tatsächlich wieder einen Kampf ausgefochten, um nicht zu Jamil gebracht zu werden. Guter Gott, man hätte sie dafür schlagen oder noch schlimmer bestrafen können. Die logische Erkenntnis, daß ihre Jungfräulichkeit nicht wert war, dafür zu sterben, war ihr völlig abhanden gekommen.
Wie war seine Reaktion gewesen? Er mußte wütend gewesen sein! Sicher hatte er nach dem Grund ihres Zustands gefragt. Warum war sie dann nicht an einen Pfeiler angekettet, um ausgepeitscht zu werden, anstatt gemütlich in Jamils Bett zu liegen und seine Brust als Kissen zu benützen?
Sie sah ihn mit großen Augen an und versuchte, in seinen Gedanken zu lesen – irgend etwas, doch sie fand keinen Anhaltspunkt in den dunkelgrünen Tiefen, in die sie sich versenkte. Sein Blick erinnerte sie an alles, was bei ihrer ersten Begegnung passiert war, auch daran, was er in gewissen Stimmungen fertigbrachte. Aber vorher hatte er gelächelt und auch gelacht. Seine Laune konnte also nicht so gefährlich sein, obwohl seine Frage recht schroff geklungen hatte. Sie würde ihm keine Antwort geben. Selbst wenn er nicht ahnte, warum der gestrige Tag so besonders anstrengend gewesen war, wußte er, daß sie in der Küche gearbeitet hatte. Also brauchte er nicht wegen ihrer Müdigkeit nachzuforschen. Sie würde das Thema ihrer letzten Bestrafung nicht anschneiden, wenn die neue noch nicht feststand.
»Waren Sie böse?«
Als habe er nur darauf gewartet, daß sie etwas sagte, entspannte sich sein Gesicht, und seine Augen strahlten Wärme aus. »Sehr böse.«
»Ich habe nicht das Gefühl, als sei ich geschlagen worden.«
Derek lachte leise. »Vielleicht, weil man dich nicht geschlagen hat.«
»Noch nicht?«
»Überhaupt nicht, kleiner Mond.« Er lächelte. Seine Stimme war tief und beruhigend. »Es wäre ein Verbrechen, diese zarte Haut zu verletzen.«
Während er das sagte, strich seine Hand sanft und langsam über ihren Arm. Als er ihr Handgelenk erreichte, nahm er es auf und zog ihre Finger an die Lippen. Den einen küßte er und biß vorsichtig in den nächsten. Eine Gänsehaut kroch über Chantelles Arm und verbreitete sich über ihren Rücken.
»Weißt du noch, was ich dich vom Küssen gelehrt
Weitere Kostenlose Bücher