Sklavin des Herzens
knien.«
Haji erhob sich zögernd. Er begriff Jamils gegenwärtige Stimmung überhaupt nicht. Jamil rührte niemals geistige Getränke an – niemals. Sein Bruder Mahmud hatte Alkohol getrunken und unter dessen Einfluß unschuldige Menschen umbringen lassen. Auch Mustafa hatte gelegentlich Spirituosen zu sich genommen, vor allem in seinen späteren Jahren, aber nur mäßig. Doch Jamil? Daß er sich mit dem bestellten Kanyak einen Rausch antrinken wollte, war nicht nur durch die Ungewöhnlichkeit des Vorgangs alarmierend, sondern auch zermürbend bei Jamils unvorhersehbaren Gefühlsausbrüchen. Und daß er glaubte, er brauchte den Alkohol …
»Lassen Sie mich Sheelah rufen, mein Lord. Sie wird ihren sanften Einfluß …«
»Nein«, unterbrach Derek ihn bitter. »Mein Verlangen gilt dieser einen.« Er deutete auf Haar, und beim Anblick ihres entspannten Körpers verstärkte sich seine Frustration. »Dann wartete sie diesmal mit ihrem störrischen Widerstand nicht einmal, bis sie hier war? Wußten Sie, daß die Engländerinnen so stur sind, Haji?« Er lachte rauh. »Natürlich wissen Sie es. Sie haben all die Jahre in nächster Nähe der allereigensinnigsten verbracht, nicht wahr?«
Haji war so klug, Rahine Jamil gegenüber nicht zu verteidigen. »Shahars Gegenwart ärgert Sie, mein Lord. Gestatten Sie mir, sie fortzubringen.«
»Sie bleibt.«
Bei diesem Ton wagte Haji keine Widerrede. »Natürlich, mein Lord.«
»Aber Sie können gehen, wenn Sie mir gesagt haben, was meine kleine Ikbal gemacht hat, daß Sie besorgt um sie waren.«
Haji traute seinen Ohren nicht, daß der Herrscher Haar immer noch als seine Favoritin bezeichnete, und die Frage gefiel ihm auch nicht. Eine kleine Denkpause wurde ihm gewährt, als ein Diener hereinkam, der ein Tablett mit mehreren Flaschen des sehr starken Kanyak und einem einzigen Glas brachte. Der Sklave füllte schnell das Glas, ehe er hinaushuschte. Hajis Augen traten aus den Höhlen, als er beobachtete, wie Jamil das Glas in einem Zug austrank und erneut füllte.
»Nun?«
Der Chefeunuche räusperte sich. Nichts half ihm jetzt mehr. »Sie wehrte sich heftig, als sie hörte, Sie hätten sie gerufen.«
»Gegen wen wehrte sie sich?«
»Gegen meinen Sklaven, Kadar, und er trägt die Male ihres Widerstandes. Aber ich schwöre, daß er bei ihrer Bezähmung so sanft wie möglich war, mein Herr. Sie wollte den Kampf einfach nicht aufgeben.«
»Dachten Sie nicht daran, mich zu informieren, anstatt sie zu betäuben? Wenn sie gegen jemanden kämpft, möchte ich, daß ich der Jemand bin.«
»Aber, mein Lord!« Haji war entsetzt über diese Feststellung. »Sie wären dann gezwungen, sie zu bestrafen …«
»Zum Teufel mit der Bestrafung«, brüllte Derek, der sich vergaß. Dann seufzte er. »Schon gut. Sie können gehen, Haji. Und belohnen Sie Ihren Kadar für seine Mühe.«
»Das würde er niemals annehmen«, protestierte Haji. Erklärend fügte er hinzu: »Er mag das Mädchen.«
Derek mußte sich ins Gedächtnis zurückrufen, daß es ein Eunuche und kein ganzer Mann war, der seine Haar mochte, doch selbst das paßte ihm nicht. »Wirklich?« brummte er und fügte nach ein paar Sekunden hinzu: »Schicken Sie ihn her, Haji.«
»Jetzt, mein Lord?« fragte Haji. Er befürchtete, sein Sklave müsse den Unmut ausbaden, den Jamil offensichtlich von dem Mädchen ablenken wollte.
»Ja, jetzt.«
»Wie Sie wünschen.«
Derek hatte ein weiteres Glas des hochprozentigen Getränks geleert, ehe der jüngere Eunuche an die Tür klopfte. Sie öffnete sich zögernd auf Dereks mürrischen Befehl einzutreten, doch der schwarze Riese, der eintrat, zeigte keine Furcht, wenn er auch den Blick senkte. Er verbeugte sich mit einer Würde, die mit Unterwürfigkeit nichts zu tun hatte. Allerdings achtete Derek nicht darauf, denn er war von Kadars böse zugerichtetem Gesicht zu fasziniert.
»Bei Allah, sie ist eine echte Wildkatze, nicht wahr?« Er brach in lautes Gelächter aus, das Kadar so wunderte, daß er Derek nun ansah.
»Die kleine Engländerin, mein Lord?«
»Ja, die kleine Engländerin«, wiederholte Derek. Noch während er den Kopf ungläubig schüttelte, stahl sich ein Lächeln um seine Lippen. »Hat sie Ihnen tatsächlich das blaue Auge verpaßt?«
»Sie tat es nicht mit Absicht«, versicherte Kadar schnell.
»Oh, dessen bin ich sicher, wie sie Ihnen auch nicht absichtlich die Wange zerkratzte.«
»Wirklich …«
Derek schnitt ihm sofort das Wort ab. »Sie brauchen sie nicht mit
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