Sklavinnenschiff
der schließenden Tür. Eine Weile blieb sie reglos liegen und fragte sich, ob sie vielleicht geträumt hatte. Sie räkelte sich und richtete sich auf. Ihr Blick fiel auf die Garderobe. Freudig überrascht griff sie danach. Das Kleid war aus dünnem Stoff, doch hochgeschlossen und von gedecktem Blau. Es gab keine Unterwäsche, kein Korsett. Natürlich. So weit ging Alex’ Zugeständnis an ihr Schamgefühl nicht. Verbittert überlegte Cat, ob es daran lag, dass sie eine Hure war oder weil sie ihm als Lustsklavin dienen musste. Sie zog sich das Gewand über, schloss die Knöpfe am Vorderteil und schlüpfte in die Schnürstiefel.
Sie wandte sich der Tür zu. Zögernd drückte sie die Klinke herunter, und zum ersten Mal seit Langem stand sie vor einer offenen Tür. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, und unlogische Furcht machte sich in ihr breit. Sie nahm all ihren Mut zusammen und trat aus dem Zimmer. In der Mitte des Ganges entdeckte sie Stiegen, die ins Tageslicht hinaufführten. Sie kletterte empor und fand sich an Deck wieder. Seeleute wuselten herum, hingen an der Takelage, schrubbten die Planken, waren mit den Seilen zugange. Fasziniert beobachtete Cat das Treiben.
„Cat.“ Matthew befand sich oben am Quarterdeck, neben dem Maat und Alex. Cat gesellte sich zu den Männern. Der Maat nickte ihr kurz zu, ehe er sich wieder ganz auf das Steuerrad konzentrierte.
„Simpson, das ist ...“ Matthew sah fragend zu Cat.
„Catherine Neville.“
„Catherine Neville, das ist Simpson, der erste Maat.“
„Sehr erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen, Sir“, grüßte Cat den Mann.
Der Seemann sah auf, und ein kurzes Lächeln glitt über sein wettergegerbtes Gesicht.
Unschlüssig stand Cat da und sah von Matthew zu Alex und wieder zurück. Als Alex nicht reagierte, reichte Matthew Cat den Arm.
„Ich werde dich an Deck herumführen.“
Cat stimmte zögernd zu. Obwohl nie schüchtern oder um Worte verlegen, fühlte sie sich gehemmt. Im Bordell hatte sie stets gewusst, was von ihr erwartet wurde.
Schweigend führte Matthew Cat die Reling entlang. Am Bug blieb sie stehen und sah auf das blaue Wasser hinaus. Dort, wo Meer und Horizont sich trafen, gab es eine graue Linie. Fasziniert sog sie die Bilder in sich auf. Sie war nie weiter als bis London gekommen. Die Luft war angenehm, ein leichter Wind wehte über das Wasser und trug den Geruch von Salz, Algen und Fisch heran. Als Cat über ihre Lippen leckte, schmeckte sie das Meersalz auf der Zunge. „Das erste Mal auf hoher See?“, fragte Matthew.
Cat schwieg, drehte sich langsam in seine Richtung und sah ihn an. Sein Haar war lang, glatt und schwarzbraun. Die hohen Wangenknochen und die hellgrünen Augen wirkten anziehend. Sein weißes Hemd stand bis zum Bauchnabel offen, sodass Cat seine Körperbemalung sehen konnte.
„Ja“, erklärte sie. Sie deutete auf seinen Rumpf. „Woher hast du das?“
Automatisch flog Matthews Hand an sein Hemd. Er schloss die Schnürung. „Ein Andenken an die Sioux.“
„Sioux?“ Ratlos zuckte Cat mit den Schultern.
„Mein Vater war ein Sioux-Krieger“, erklärte er emotionslos.
Cat nickte verständnislos. „Und deine Mutter ebenfalls?“, fragte sie weiter, weniger aus Interesse, sondern einfach, um zu reden. Im nächsten Moment ahnte sie, dass sie einen Fehler begangen hatte.
In Matthews Augen blitzte etwas Düsteres auf. „Engländerin.“ Er ging nicht näher darauf ein, stattdessen beugte er sich vor.
„Deine Brustwarzen zeichnen sich überdeutlich durch den Stoff ab.“
Erschrocken starrte Cat auf ihre Brüste und drehte sich zur Reling.
„Ich glaube, das ist eure Art, mich dazu zu bewegen, unter Deck zu bleiben.“ Sie reckte ihr Kinn in die Luft. „Es wird nicht funktionieren. Als Hure bin ich derartige Aufmerksamkeit gewohnt.“
„Du irrst, meine Liebe.“ Matthews Grinsen haftete etwas Diabolisches an. „Unterwäsche hast du dir noch nicht verdient.“
Cat stemmte ihre Hände in die Hüften.
„Ach nein? Dann verzichte ich auch auf die Kleider.“
Sie riss sich das Kleid vom Körper, noch ehe Matthew reagieren konnte. In ihren Jahren im Bordell hatte sie gelernt, sich so schnell an- und auszuziehen, dass man den Vorgang an sich kaum sah. Sie stieg aus den Stoffbahnen und marschierte hocherhobenen Hauptes über das Deck. Aus der Takelage erklangen Pfiffe und Johlen. Sie achtete nicht auf die Rufe und kletterte die Stiegen hinunter zu den Kajüten. Als sie sich im Gang befand, hörte sie eindeutige
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