Skorpion
nie so ganz los.«
Im Nachklang seiner Worte tat sich erneut Schweigen zwischen ihnen auf. Das Gespräch, gefangen und in den seichten Wassern ihrer fortwährenden Verlegenheit über den Boden kratzend. Er griff nach etwas, um sie wieder ins tiefe Wasser zu staken. Nach etwas, das letzte Nacht schwach in seinen Gedanken aufgeblitzt war, als er schließlich doch hinab in den Schlaf hatte tauchen können.
»Hören Sie, ich habe nachgedacht. Ihr Leute habt den Bord-Dschinn der Horkan’s Pride ausgequetscht, ja? Damals im Juni, als alles anfing.«
»Ja.« Sie zog das Wort ein wenig in die Länge, fragend. Ihm gefiel das Geräusch, das sich dabei ergab. Er tastete nach etwas umher, das gut darauf folgen konnte.
»Also, wen haben Sie das machen lassen? Ein Team aus der Firma?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das bezweifle ich. Wir haben Transkripte gereicht bekommen, wahrscheinlich von irgendeinem Fuzzi, den man vom M.I.T. angeheuert hatte, Schnittstellen mit Maschinen. Die erledigen den größten Teil unserer Arbeit mit den N-Dschinns. Warum? Meinen Sie, denen ist was entgangen?«
»Ist immer eine Möglichkeit.«
Ein skeptischer Blick. »Etwas, das Sie mitbekommen hätten?«
»Okay, vielleicht nicht etwas, das ihnen entgangen wäre.« Er nippte an seinem Kaffee. Gestikulierte. »Nur etwas, nach dem sie nicht gesucht haben, weil ich nicht auf dem Bildschirm aufgetaucht war. Eine enge Verbindung zwischen Merrin und mir. Etwas, das mich gleich neben ihn gebracht hätte.«
»Eine Verbindung? Sie haben gesagt, Sie würden ihn nicht kennen.«
»Direkt kenne ich ihn auch nicht. Kommen Sie schon, Ertekin, Sie waren Polizistin. Sie müssen etwas über die Komplexitätstheorie wissen. Soziale Vernetzung.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Natürlich. Wir haben die Grundlagen in unserer Demodynamikklasse behandelt. Yaroshanko-Intuition, Chen und Douglas, Rabbani. Die ganze Latte zurück bis Watts und Strogatz, all dieser Scheiß über Netzwerke kleiner Welten. Also? Wissen Sie, sobald Sie einmal wirklich draußen auf der Straße sind, ist der größte Teil dieses Demodynamik-Zeugs ebenso nützlich wie Poesie in einem Bordell.«
Er unterdrückte ein Grinsen. »Vielleicht. Aber Netzwerk in kleinen Welten funktioniert. Und der Club der Variante Dreizehn auf dem Mars ist eine sehr kleine Welt. Wie der Mars selbst. Ich mag Merrin nicht kennen, aber ich bin gewillt, darauf zu wetten, dass Sie mich bis zu einem gewissen Grad mehr oder weniger mit ihm in Verbindung bringen können. Und falls diese Verbindungen vorhanden sind, dann wird nichts sie besser entdecken als ein N-Dschinn.«
»Jeder N-Dschinn. Warum muss es die Horkan’s Pride sein?«
»Weil die Horkan’s Pride der letzte Dschinn war, der Merrin lebend zu Gesicht bekommen hat. Es gibt einen guten Grund dafür, dass…«
Ein leises Klingeln an der Tür.
Reflexartig warf Ertekin einen Blick auf die Uhr. Verwirrung zeigte sich in den Falten in ihren Augenwinkeln.
»Vermutlich traut Tom uns beiden nicht über den Weg«, meinte Carl ausdruckslos.
Die Verwirrung wich einer Verachtung, die er für gespielt hielt. Sie ging zur Tür und nahm den Hörer ab.
»Ja?«
Er sah ihre Augen sich ein wenig weiten. Sie nickte, sagte noch mehrmals ›ja‹ und hing dann auf. Als sie ihn wieder ansah, zeigte sich ein echtes Stirnrunzeln auf ihrem Gesicht. Er vermochte nicht zu entscheiden, ob sie besorgt oder verärgert war, oder beides.
»Es ist Ortiz«, sagte sie. »Er ist hergekommen.«
Er verbarg seine eigene Überraschung. »Welche Ehre! Sammelt er alle seine neuen Angestellten mit dem Wagen ein?«
»Nicht, seitdem ich dort arbeite.«
»Also muss es an mir liegen.«
Es hatte leicht und ironisch herauskommen sollen. Aber irgendwo, irgendwann während der letzten vier Monate hatte er den Dreh für Ironie verloren. Er hörte das Gewicht der eigenen Worte genau wie sie.
»Ja.« Sie sah ihn über ihren Kaffeebecher hinweg an. »Es muss an Ihnen liegen.«
Er war Ortiz schon zwei Mal zuvor begegnet, aber er bezweifelte, dass sich der Mann an ihn erinnern würde. Beide Treffen lagen Jahre zurück, beide waren eingewickelt in diese glasig-lächelnde Unverbindlichkeit diplomatischer Besuche, und Carl war bloß einer von mehreren Variante-Dreizehn-Leibwächtern in einer Reihe von Agenturangestellten, die dastanden, um einer nach dem anderen den Besuchern bei der Ankunft die Pfoten zu drücken. München II war im Gange, man sprach davon, dass COLIN an den Verhandlungstisch
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