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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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wo sie noch stark sind, liegen bei der Gettobevölkerung in der Republik. Sonst sind sie allen egal. Niemand fürchtet sich mehr vor ihnen.«
    »Also hast du für diese Furcht gesorgt.«
    Weitere Rauchschwaden. Névant gestikulierte durch sie hindurch. »Zeig deine Stärken, Mann! Alle haben Schiss vor den Dreizehnern!«
    »Ja, hätten sie, wenn sie nicht alle eingesperrt wären.«
    Der Franzose grinste. »Das hättest du wohl gern.«
    »Oh, komm schon.« Carl wedelte mit der Gabel. »Wir haben höchsten ein paar Dutzend gleichzeitig da draußen.«
    »Nicht der Punkt, Marsmensch. Überhaupt nicht der Punkt.«
    »Nein? Was ist dann der Punkt?«
    Névant spielte mit dem Besteck auf seiner Seite des Tischs, berührte es lediglich mit den Fingerspitzen der rechten Hand. »Der Punkt ist der, dass wir existieren. Wir passen perfekt zu all diesen atavistischen Ängsten, die sie haben. Sie haben verzweifelt nach Hexen und Ungeheuern Ausschau gehalten, seitdem sie uns das erste Mal weggewischt haben. Jetzt haben sie uns wieder zurück.«
     
    »Also haben männliche Gewalt und Hierarchie die menschliche Rasse in eine gleichförmige soziale Ordnung gezwängt, haben die schlimmsten der verantwortungslosen Gesellen ausgejätet und eine stabile Grundlage zur Verfügung gestellt, aus der Tausende von Jahren später weibliche Prinzipien hervorsteigen können, um mit einem Körnchen zivilisierter Schicklichkeit zu regieren. Das ist der Standpunkt Ihrer Imamin?«
    Sevgi nickte. »Es ist auch Valipours Standpunkt, mehr oder weniger. Und auch ein gesunder Sufi-Standpunkt insofern, als er eine fortwährende Enthüllung darstellt.«
    »Obwohl er auch in gewisser Hinsicht den Rückschlag erklärt, nicht wahr?« Yavuz grinste. » Vielen Dank, Jungs, ihr habt unter Berücksichtigung der Grenzen eures Geschlechts einen tollen Job geleistet, aber von jetzt an übernehmen wir. Ich meine, man kann sich nur schwer vorstellen, dass die Shahuda still sitzen bleiben.«
    »Na ja.« Sie zuckte mit den Achseln. »Tun sie nicht, nein.«
    »Ich erinnere mich aus meiner Kindheit an den Mob hier, der in den Straßen seine Parolen schrie.« Yavuz hob seine Stimme. »Frauen sind den Männern Untertan, weil Allah den einen geschaffen hat, auf dass er die andere überrage. Und so weiter.«
    Sevgi schnaubte. »Dieser uralte Quark.«
    »Dieser uralte Quark, das sind die Qumranrollen, wie ich mich entsinne. Sind die nicht Teil des Islam in New York?«
    »Sehr komisch. Ist historischer Kontext hier in der Gegend nicht Teil der menschlichen Intelligenz?«
    Wiederum dieses koboldhafte Grinsen. Yavuz schien seinen jähen Anfall männlichen Schuldgefühls mit einem Schulterzucken abzutun. »Hier in der Gegend natürlich. Aber Sie müssen nicht allzu weit nach Südosten gehen, bevor man menschliche Intelligenz so ziemlich mit einem Stirnrunzeln bedenkt. Übrigens, wie ich so höre, muss man auch nicht allzu weit südwestlich von New York gehen, bevor dasselbe passiert.«
    Sie lachte. »Gut gekontert. Marsalis hat mir erzählt, Sie hätten eine Doktorarbeit über dieses Zeug verfasst. Ähnlichkeiten der USA vor der Sezession mit der Türkei, so was in der Art?«
    »›Psychosoziale Parallelen im türkischen und amerikanischen Nationalismus‹«, zitierte Yavuz mit spöttischem Pomp. Er vollführte eine Geste der Bescheidenheit, mit der er den Effekt zurücknahm. »Natürlich ist nichts jemals so einfach, aber es bestanden eine Vielzahl von Gleichartigkeiten. Beides große, aggressive Nationalismen, die auf sehr seichtem kulturellem Boden gründeten. Beide zeigten eine immense kulturelle Kluft zwischen städtischer und ländlicher Kultur. Beide zeigten großes Unbehagen angesichts der ›Neuen Mathematik‹, beide versuchten, sich gegen den Virilizid mit drakonischen Drogengesetzen und Wunschdenken zu stemmen. Wissen Sie, das Land hier wäre vielleicht auch in Einzelteile zersplittert, wie die USA, wenn nicht die Europäer bei uns herumgeschlichen wären und von außen an den Strippen gezogen hätten.«
    »So zufrieden hören Sie sich nicht darüber an.«
    Der Türke seufzte. »Ja, ich weiß. Und ich sollte es vermutlich sein. Will natürlich nicht, dass die verfluchten Shahuda in den Straßen herumschleichen und meine Töchter steinigen, wenn sie ohne männliche Begleitung ausgehen oder mehr Haut zeigen als eine Mumie. Aber es macht auch kein großes Vergnügen zu wissen, dass dein ganzes Heimatland bloß der neue Hinterhof für eine Bande ehemals imposanter Zyniker

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