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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie aus Cuzco hinausfuhren, materialisierten sich die fahrerlosen Transporter aus der Düsternis. Sie kamen direkt aus den Depots und Lagerhallen der Fabriken am Stadtrand und schienen quasi aus dem Nichts aufzutauchen, wie aus dem Wasser schießende Wale neben einem Ruderboot. Ohne Vorwarnung, ohne weißes Licht von Frontscheinwerfern, das hinter ihnen zu sehen gewesen wäre, fuhren sie plötzlich neben ihnen, ein jäher, dunkler, rasend schneller Luftzug, ein schwaches Glühen der Begrenzungslichter, dann waren sie vorbei und verschwanden in der Nacht. Die Systeme des Jeeps zwitscherten leise in der vom Armaturenbrett erhellten Fahrerkabine, wenn sie mit dem jeweiligen Fahrzeug kommunizierten, wenn sie etwas fragten, sich einstellten. Vielleicht ›Auf Wiedersehen!‹ sagten.
    »Du hast dich auf dem Mars daran gewöhnt?«, fragte sie ihn. »An diese maschinelle Sache?«
    Er runzelte die Stirn. »Bin von Geburt an dran gewöhnt, ebenso wie alle anderen. Zeitalter der Maschine, weißt du?«
    »Ich dachte, auf dem Mars…«
    »Ja, das tun alle. Ein reflexartiges Bild. Maschinen halten alle am Leben, nicht wahr? Vermutlich ist das eine Nachwirkung aus den frühen Jahren, bevor sie das Umweltzeugs wirklich zum Laufen gebracht haben. Ich meine, nach dem, was ich so gelesen habe, also damals, da haben sogar die Wissenschaftler geglaubt, dass die Terraformung Jahrhunderte dauern würde. Vermutlich haben sie einfach nie erkannt, was die Nanotechnologie mit unseren Zeitmaßstäben anstellen würde. Die Wachstumskurve der Technologie steigt immer schneller an, und wir alle verbringen unser Leben damit, sie einholen zu wollen.« Er gestikulierte. »Also kleben wir nach wie vor an den roten Felsen und den Luftschleusen, an all jenen Bildern von damals, bevor die Luft atembar war. Stereotype wie die halten sich hartnäckig, bis sie sich verändern. Sobald die Menschen sich ein Bild von etwas gemacht haben, lassen sie es nicht gern wieder los.«
    »Wenn das nich’ die verfluchte Wahrheit is’.«
    Er hielt inne und sah sie an. Brachte ein Lächeln zustande. »Ja, ist sie. Hinzu kommt natürlich, dass der Mars ganz schön weit weg ist. Bisschen zu weit weg zum Hinfahren und Selbst-Nachsehen, die Illusion zerstören. Dafür ist viel leere Schwärze zu durchqueren.«
    Bei den letzten Worten erlosch das Lächeln. Sie sah, wie sein Blick beim Sprechen unkonzentriert wurde, hörte die Ferne, von der er sprach, aus der Art und Weise heraus, wie sich sein Tonfall veränderte. Plötzlich schien irgendwo eine Tür aufgesprungen zu sein, welche die Kälte des Raums zwischen den Welten hereinließ.
    »War schlimm, hm?«, fragte sie leise. »Da draußen?«
    Er schoss ihr einen Blick zu. »Schlimm genug.«
    Schweigen senkte sich über die Kabine, über den blau vom Display erhellten Raum, der sich sanft mit der Bewegung des Jeeps in der Dunkelheit wiegte.
    »Da war diese Frau«, sagte er schließlich. »Unter einer der Kryokappen. Elena Aguirre, ich glaube, sie stammte aus Argentinien. Bodentechnikerin, außerplanmäßige Heimkehr. Sie sah so ähnlich aus wie… jemand, den ich mal gekannt habe. Also gewöhnte ich mir an, mit ihr zu reden. Fing als Scherz an, weißt du, du redest eine Menge dummes Zeug laut heraus, einfach, um nicht wahnsinnig zu werden. Fragst sie, wie der Tag für sie gewesen war, so was in der Art. Irgendwelche interessanten Bodenproben kürzlich? Probleme mit den Nanobes? Und ich erzähle ihr, was ich getan habe, lauter dummes Zeug von Treffen mit der Erdkontrolle und der Mannschaft des Bergungsschiffs.«
    Er räusperte sich.
    »Nach einer Weile jedenfalls, wenn du dort draußen ganz allein bist, siehst du Muster, wo gar keine sind. Die Tatsache, dass du mit dem Arsch auf Grundeis gegangen bist, erscheint dir irgendwann mehr als bloßer Zufall. Du fragst dich, warum du? Warum diese verdammte statistische Unmöglichkeit einer Fehlfunktion auf deiner Wache? Du glaubst allmählich, dass es dort draußen eine böswillige Macht gibt, jemanden, der für den ganzen Scheiß verantwortlich ist.« Er verzog das Gesicht. »Das ist Religion, nicht wahr?«
    »Nein, das ist keine Religion.« Jähe Schroffheit in ihrem Tonfall.
    »Nein?« Er zuckte mit den Achseln. »Nun gut, näher bin ich nie drangekommen. Erreichte den Punkt, wie gesagt, zu glauben, dass es da draußen etwas gab, das mich fertigmachen wollte, und dann kam es mir so vor, dass es vielleicht, falls das stimmte, auch etwas anderes geben könnte, eine Art

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