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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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ziemlich Schiss, aber…«
    »Hör auf!« Sie hörte den abgerissenen Ton in der eigenen Stimme. Spürte den Drang zu erschauern wie eine kalte, hohle Hand ihren Hals hinaufkriechen. »Hör einfach auf! Sei ernst.«
    Er runzelte in dem blauen Schein die Stirn. »Weißt du, Ertekin, für jemanden, der an einen höchsten Architekten des Universums und ein spirituelles Leben nach dem Tod glaubt, nimmst du das bemerkenswert heftig auf.«
    »Sieh mal.« Hingeworfen wie eine Herausforderung. »Woher hast du wissen können, dass sie es war? Diese Elena Aguirre. Du hast nie ihre Stimme gehört.«
    »Was hat das denn damit zu tun?«
    In der Frage lag eine stille Schlichtheit, die sie umwarf, jäh, schwerelos, wie Sex beim ersten Mal, als sie ihn richtig hatte und gekommen war, wie ihr erster Leichnam an einem Tatort abseits der Fahrbahn der Barnett Avenue. Wie Nalan beobachten, als sie ihren letzten Atemzug im Krankenhausbett getan hatte. Sie schüttelte hilflos den Kopf.
    »Ich…«
    »Siehst du, du hast gefragt, ob es schlimm war«, sagte er sanft. »Also erzähle ich dir, wie schlimm es war. Ich bin tief runter, Sevgi. Tief genug, dass sehr, sehr merkwürdiger Scheiß geschehen konnte, genetische Polung hin oder her.«
    »Aber du kannst doch nicht glauben…«
    »Dass Elena Aguirre die Inkarnation einer Gegenwart war, die über mich gewacht hat? Nein, natürlich nicht.«
    »Dann…«
    »Sie war eine Metapher.« Er stieß die Luft aus, als lasse er etwas los. »Doch sie ist mir aus der Hand geglitten, wie es mit Metaphern manchmal passieren kann. Du gehst so tief hinein, dass du den Halt bei diesen Dingen verlieren, sie loslassen kannst. Vermutlich hatte ich Glück, dass das, was da unten auf mich gewartet hatte, mich wieder ausgespien hat. Vielleicht erwies sich meine genetische Polung am Ende als unverdaulich.«
    »Wovon redest du eigentlich?« Kalter Ärger. Sie konnte ihn nicht überspielen. »Unverdaulich? Metaphern? Ich kapiere nichts von dem, was du mir da erzählst.«
    Er warf ihr einen Blick zu, vielleicht überrascht von ihrem Tonfall.
    »Schon in Ordnung. Ich erklär’s wahrscheinlich nicht sonderlich gut. Sutherland hätte es besser gemacht, aber er hatte auch Jahre Zeit gehabt, um das alles festzuklopfen. Sagen wir einfach nur, dass ich mich unterwegs da draußen auf unterbewusster Ebene in etwas hineingeredet habe und dass es eines erfundenen unterbewussten Helfers bedurft hatte, mich wieder rauszureden. Klingt das sinnvoller?«
    »Nicht wirklich. Wer ist Sutherland?«
    »Ein Dreizehner, ein Bursche, den ich auf dem Mars kennengelernt habe. Die Japaner würden ihn vermutlich einen Sensei nennen. Er lehrt Tanindo in den Camps von Oberland. Er pflegte zu sagen, dass Menschen ihr ganzes Leben metaphorisch leben, und das Problem für die Dreizehner bestünde darin, dass wir einfach zu genau in die metaphorische Schublade für all jene schlimmen Dinge im Dunkeln jenseits der Lagerfeuer passen – die Schublade mit dem Etikett Monster.«
    Dagegen konnte sie nichts einwenden. Ihre Erinnerung bestätigte das voll und ganz, Gesichter, ihr in stummer Anklage zugewandt, als sie erfuhren, was Ethan gewesen war. Freunde, Kollegen, sogar Murat. Sobald sie es erfahren hatten, sahen sie den Ethan nicht mehr, den sie gekannt hatten, sondern nur noch ein Stück Dunkelheit in der Gestalt Ethans, wie die Vorlage, die in der Virtualität für den Mann gedient hatte, der Toni Montes ermordet hatte.
    »Monster, Sündenböcke.« Die Worte fielen von seiner Zunge wie Karten, die er austeilte. Seine Stimme war plötzlich voller Hohn. »Engel und Dämonen, Himmel und Hölle, Gott, Moralität, Gesetz und Sprache. Sutherland hat recht, es ist alles eine Metapher. Eine Stütze, um mit den Bereichen zurande zu kommen, wo die grundlegende Wirklichkeit es für euch nicht mehr bringt, wo es für Menschen zu kalt ist, um ohne etwas Erfundenes zu leben. Wir verschlüsseln unsere Hoffnungen, Ängste und Wünsche und errichten ganze Gesellschaften auf dem Schlüssel. Und dann vergessen wir, dass es je ein Schlüssel war, und behandeln ihn wie ein Faktum. Handeln, als ob es dem Universum scheißegal wäre. Bekriegen uns deswegen, hängen Männer und Frauen dafür am Hals auf. Bombardieren Züge und Wolkenkratzer in ihrem Namen.«
    »Wenn du wieder von Dubai anfängst…«
    »Dubai, Kabul, Taschkent und das ganze verdammte Jesusland. Es spielt keine Rolle, wohin du dich wendest, es ist dasselbe verdammte Spiel, es sind Menschen. Es ist…«
    Er

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