Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
zurück. Eine weitere vierschrötige Gestalt trat heran und stellte sich über ihn. Durch die Walzer tanzenden Farben, die hinter seinen Augen auftauchten und verschwanden, sah er die Mündung einer Waffe und leistete keinen Widerstand mehr.
    »Miami Vice, du Arschloch! Du bleibst da unten, oder ich bohre dir ein Loch in deinen beschissenen Schädel!«
    Natürlich sperrten sie ihn ein.

 
3
     
     
    6.13 Uhr.
    Tief hängende Wolkenstreifen an einem ausgewaschenen Himmel vor der Morgendämmerung. Der Nieselregen der vergangenen Nacht lag immer noch wie Perlen auf der schwarz-metallenen Panzerung der Rap-Rep-Shuttles; der Evercrete des Vorfelds war feucht, und in der Luft war nach wie vor ein wenig Regen. Joey Driscoll verließ gerade die Kantine, in jeder Hand einen hohen Behälter selbst erhitzenden Kaffees. Die Arme hatte er weit ausgestreckt, als versuche er, das Gewicht auszubalancieren. Die Lider hingen ihm schwer über die Augen. Das war die Schläfrigkeit, die einen am Ende der Schicht überkam. Er riss den Mund zu einem breiten Gähnen auf.
    Die Sirene heulte, und das Jaulen stieg in die Höhe wie bei einem bedrohlichen, gigantischen Zahnarztbohrer.
    »Oh, verdammte Scheiße…«
    Einen Augenblick lang stand er da, erschöpft, ungläubig – dann knallten die Kaffeebehälter auf das Evercrete, und er rannte resigniert zum Geräteraum. Die Sirenen oben hatten es bis zu ihrem ersten Luftholen geschafft, und das Jaulen begann wieder von vorn. Große LCLS-Paneele an den Oberschwellen der Hangars blitzten gelbbraun auf. Von weiter links, unterhalb der Sirenen, vernahm er das tiefkehlige Mahlen, mit dem die Turbinen der schnellen Angriffsshuttles ansprangen. Anderthalb Minuten auf halber Höhe laufen, bevor sie volle Tonhöhe erreichten. Zwei weitere Minuten, bis die Besatzung an Bord war, und dann ging’s ab. Sie zerrten und zogen auf dem Vorfeld wie Hunde, die sich von einer straff gespannten Leine losreißen wollten. Jeder, der zu spät an Bord kam, würde seine Eier abgeschnitten kriegen.
    Er erreichte die Tür zum Geräteraum, als Zdena gerade herausgeschossen kam: die Kampfweste noch nicht völlig zugeknöpft, der Helm am unteren Saum herabbaumelnd, das XM immer noch am langen Lauf gehalten, wie es im Regal gestanden hatte. Ein breites slawisches Grinsen bei seinem Anblick.
    »Wo ist mein verdammter Kaffee, Joe?« Sie musste die Worte über das Sirenengeheul hinweg schreien.
    »Da hinten auf dem Beton. Wenn du was willst, leck ihn auf!« Er winkte erschöpft zu dem Lärm hinauf. »Ich mein, verdammt. Vierzig Minuten bis zum Schichtwechsel, und wir kriegen diesen Scheiß!«
    »Wofür bezahlen sie uns, Cowboy?«
    Sie ließ den Lauf des XM auf Karabinerlänge zurückschnappen, sicherte ihn, schob die Waffe in das lange Holster an ihrem Oberschenkel, gehalten von einem Klettverschluss, und konzentrierte sich darauf, die Schnallen an ihrer Weste festzuziehen. Joe schob sich an ihr vorbei.
    »Sie bezahlen uns?«
    Vorsichtig in das Gewühle des Geräteraums. Ein Dutzend weiterer Leiber, schreiend, fluchend über ihre veraltete Ausrüstung. Sie lachten die Spannung weg wie Hunde, die bellten. Joe schnappte sich Weste, Helm, Maske vom Haufen auf der Theke und hielt sich nicht damit auf, etwas anzulegen. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, das im Bauch des Rap-Rep zu erledigen, wenn es über dem Pazifik abkippte. Er legte die Hand um den aufrechten Lauf eines XM, kämpfte kurz mit dem Schnappverschluss, der sich nicht vom Gestell lösen wollte, riss es schließlich heraus und machte sich wieder auf zur Tür.
    Vierzig verfluchte Minuten, Mann!
    Zdena saß bereits auf der herabgelassenen Hecktür von Blue One, Helm locker auf dem Kopf, ohne Maske, ihn angrinsend, als er heraufkeuchte und sich, auf dem Arsch rutschend, an Bord zog. Sie beugte sich zu ihm und schrie über das Gekreisch der Turbinen hinweg: »He, Cowboy, bereit für ’n kleines Tänzchen?«
    Er bekam nie so recht heraus, ob sie den Natascha-Akzent übertrieb oder nicht. So lange arbeiteten sie noch nicht zusammen. Sie war mit den neuen Leiharbeitern Ende Mai eingetroffen. Er stellte sich vor – und die Etikette sagte, dass man nie, nie nachfragte –, dass sie wahrscheinlich eine Lizenz als Gastarbeiterin hatte, zumindest ebenso legal war wie er heutzutage. Er bezweifelte, dass sie über den Zaun gesprungen war, wie er es allerdings getan hatte. Wahrscheinlicher war, dass sie aus irgendeinem sibirischen Küstenstreifen stammte oder vielleicht von einem

Weitere Kostenlose Bücher