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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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Der Barkeeper, der an etwas herumfummelte, Telefon oder Waffe. Carl warf einen Arm hinaus, den Finger gehoben.
    »Nicht.«
    Der Lude auf dem Boden stöhnte und regte sich. Carl sah prüfend in jedes Gesicht im Raum, schätzte mögliche Reaktionen ab, trat daraufhin dem Mann auf dem Boden gegen den Kopf. Das Stöhnen hörte auf.
    »Wie heißt er?«, fragte er in den Raum hinein.
    »Öh, das ist Dougie.« Der Barkeeper. »Dougie Kwang.«
    »Gut. Wenn jemand hier ein dicker Freund von Dougie Kwang ist und vielleicht bleiben und die Sache mit mir durchdiskutieren will, gern. Alle anderen sollten besser verschwinden.«
    Hastiges Scharren von Füßen, Knirschen von Stuhlbeinen, die eilig zurückgeschoben wurden. Die dürftige Menge, die davonhuschte. Die Tür schwang für sie auf, er spürte die Kälte, die sie einließ, in seinem Nacken. Der Barkeeper ergriff die Gelegenheit und verschwand gleichfalls. Ließ ihn mit Elvira zurück, die in Tränen aufgelöst auf dem Boden neben Dougie herumwühlte, und dem Skinhead, der, wie Carl vermutete, kein Zutrauen darin hatte, unversehrt zur Tür zu gelangen. Er schenkte ihm ein kaltes Lächeln.
    »Möchtest du wirklich was anfangen?«
    »Nein, möchte er nicht. Sieh dir sein Gesicht an! Benimm dich nicht länger wie ein Arschloch und lass ihn gehen!«
    Selbstbeherrschung und das Netz hinderten ihn daran, zu der Stimme herumzufahren, der kühlen Belustigung und der eisernen Gewissheit darunter. Er erkannte bereits aus dem Tonfall, dass eine Waffe auf ihn gerichtet war. Dass er nicht längst auf dem Boden neben Dougie lag, tot oder sterbend, war der einzige Teil, den er irgendwie nicht recht verstand.
    Er stellte die Verwunderung hintan, trat mit einer ironischen Verbeugung zur Seite und winkte den Skinhead an sich vorbei. Kurzzeitige, blitzartige Erinnerungen an die Kapelle im Staatsgefängnis von Süd-Florida, der höhnisch grinsende weiße Herrenmensch, der an ihm vorbei das Kirchenschiff hinaufging. Plötzlich war er das alles leid, die billigen Posen und Bewegungen, das Einander-Anstarren, die ganze verdammte mechanische Vorhersagbarkeit des Menschen-Tanzes.
    »Mach schon«, sagte er tonlos. »Sieht so aus, als hättest du freies Geleit. Nimm diese Elvira da besser mit.«
    Dougie Kwangs Freund ließ den Billardstock fallen, den er umklammert gehalten hatte, und zögernd, einen Schritt nach dem anderen, kam er heran. Er verstand gleichfalls nicht so recht, was eigentlich los war. Sein Blick flackerte von Carl zu demjenigen, der da neu eingetroffen war, und wieder zurück. Benommenheit und Verständnislosigkeit waren ihm wie ein Stiefelabdruck ins Gesicht eingedrückt. Er kniete neben der Hure a.D. nieder und versuchte, sie auf die Füße zu hebeln. Sie wand sich weinend, weigerte sich, aufzustehen, die Hände nach wie vor an Dougies reglose Gestalt geklebt, das lange, dunkle, gelockte Haar verdeckte die weit geöffneten Augen, den erstarrten Gesichtsausdruck. Sie jammerte und schluchzte halb verständliche Bruchstücke, irgendein sino-spanisches Straßengemisch, dem Carl nicht gut folgen konnte.
    Erfreuen uns unserer Tat, oder etwa nicht?
    Kurzzeitig fragte er sich, ob da, wenn die Zeit käme, eine Frau wäre, irgendeine Frau, die so um ihn weinen würde.
    »Wir haben nicht die ganze Nacht«, sagte die Stimme hinter ihm.
    Langsam wandte sich Carl um, und die Furcht vor der Kugel kitzelte ihn am Halsansatz. Zeit, nachzusehen, was denn da schief gelaufen war, verdammt!
    Genau. Als hättest du es nicht bereits gewusst.
    An der Tür stand ein großer Mann.
    Auch ein paar andere, keiner von ihnen klein, aber es war dieser eine, der die Aufmerksamkeit auf sich zog, so wie man eine Farbe in einer ansonsten öden Landschaft ins Visier nahm. Carls vom Netz geschärfte Sinne fixierten sich auf den schweren silbrigen Revolver in der gehobenen Hand mit den schwarzen Handschuhen, auf die bizarre, bewusst antiquierte Ansage, die dem zu entnehmen war, aber das war es nicht. Nicht das ölige, fettige, nach hinten gekämmte schwarze Haar oder der leichte Schimmer auf den gebräunten und gerunzelten weißen Zügen – verräterische Spuren von Gesichts-Zellfixierung – sowie Haargel für einen Killer, der nicht die Absicht hatte, genetisches Material am Tatort zurückzulassen. All dies sah Carl und schob es für das beiseite, was wirklich zählte.
    Es war die Art und Weise, wie der Mann stand, wie er in den Raum sah, als wäre dieser Ort eine Bühne, die nur um seinetwillen errichtet worden war.

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