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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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nicht, warum ich dich mit diesem Zeug konfrontiere. Du bist nicht normaler als ich.«
    »Die Frage einen Augenblick lang beiseite geschoben, was du genau als einen normalen Menschen ansehen würdest – was führt dich zu der Annahme, du würdest eine wertvollere Antwort von einem solchen erhalten? Sind normale Menschen besonders begabt darin, komplizierte ethische Wahrheiten aufzudecken?«
    Carl dachte darüber nach.
    »Wäre mir nicht aufgefallen«, gab er düster zu. »Nein.«
    »Also ist meine Wahrnehmung der Post-Jacobsen-Ordnung wahrscheinlich weder mehr noch weniger nützlich als die eines jeden anderen rationalen Menschen.«
    »Ja, aber das ist der große, fette springende Punkt.« Carl grinste. Es lag ein handfestes Vergnügen darin, den Hacker und seinen hyper-ausbalancierten Verstand auf dem falschen Fuß zu erwischen, und zwar hauptsächlich deswegen, weil es so selten vorkam. »Hier geht es ja nicht um rationale Menschen. Beim Jacobsen-Bericht ging es nicht um eine rationale Antwort auf genetische Lizensierung, sondern um eine Gruppe rationaler Menschen, die versuchte, einen Deal mit der geschwätzigen Masse der irrationalen Menschheit abzuschließen. Den religiösen Wahnsinnigen, den Reinhaltern der Rasse, der ganzen Mannschaft von der Abteilung ›Untergang der Zivilisation‹.« Einen Moment lang starrte er blicklos in eine Ecke des Zimmers. »Ich meine, hast du das ganze Zeug aus den Achtziger-, Neunzigerjahren schon vergessen? Die Demonstrationen? Das Vitriol in den Nachrichten? Den Mob draußen vor den Fabriken und den Militärbasen, der die Zäune eingedrückt hat?«
    »Nein, habe ich nicht vergessen. Aber das hat mich auch nicht weiter interessiert.«
    Carl zuckte mit den Achseln. »Na ja, du hast ihnen auch nicht so viel Schiss eingejagt wie wir.«
    »Und trotzdem war Jacobsen keine Kapitulation vor den Gewalten, die du beschreibst. Der Bericht kritisiert sowohl irrationale Antworten als auch vereinfachende Denkweisen.«
    »Klar. Aber sieh mal, wer dennoch in den Lagern geendet ist.«
    Matthew sah nichts. Carl sah Stéphane Névants wölfisches Grinsen und rieb sich die Augen, um das Bild zu verscheuchen.
    »Sieh mal, Matt, danke…«
    »Matthew.«
    »Entschuldigung! Matthew. Danke, dass du Norton überprüft hast, okay? Bis bald wieder.«
    Er legte auf. Warf das Telefon aufs Bett und zog sich rasch die am wenigsten gebrauchte und blutige Kleidung unter seiner beschränkten Garderobe an. Er verließ das Hotelzimmer, hielt kurz vor Sevgi Ertekins Tür inne, stieß dann einen verzweifelten Laut in der Kehle aus und stolzierte weiter. Zehn Sekunden wartete er voller Ungeduld am Aufzug, schob dann stattdessen mit steifem Arm die Tür zum Fluchttreppenhaus auf und nahm die Treppe zwei Stufen auf einmal. Durchquerte die Halle raschen Schritts und trat hinaus in die Stadt. Er ging einen einzelnen Block weiter, um ein Gefühl für den Abend zu bekommen, und hielt dann ein Autotaxi an.
    Das Innere war nur schwach erhellt und gemütlich, ein geräumiger Leib mit schwarzen Kunstlederbezügen sowie schlitzförmigen Fenstern, durch die man auf die vorbeistreichende Straße sehen konnte. In der Düsternis auf dem vorderen Armaturenbrett schaltete sich ein gepanzerter Bildschirm ein und zeigte ihm ein ziemlich idealisiertes weibliches Fahrerinterface. Allgemeine Rim-Schönheit, die klassische asiatisch-spanische Mischung. Hochgestecktes schwarzes Haar, ein Hauch von Locken darin, schicke Jacke mit hohem Kragen. Etwas von Carmen Ren in den Zügen und der Haltung, aber maschinell aufgepeppt zu unmenschlicher Perfektion. Die Stimme war ein Abklatsch von Asia Badawi.
    »Guten Abend, Sir. Willkommen bei Cable Cars! Wohin wünschen Sie am heutigen Abend gefahren zu werden?«
    Er zögerte. Sutherland, wusste er, hätte sich von dem hier nicht weiter beeindruckt gezeigt.
    Sutherland ist auf dem verdammten Mars.
    »Bring mich einfach irgendwohin, wo ich in eine Schlägerei verwickelt werde«, sagte er.
     
    Nicht ganz da und dank des Jetlags, des langen Schlafs und des gestrigen Zweikampfs etwas achtlos, bemerkte er die Gestalt an der Ecke nicht, die ihn beim Verlassen des Hotels beobachtete, oder den unscheinbaren Tropfen, der aus dem Parkplatz auf der gegenüberliegenden Seite der Straße hinausschlüpfte und sich hinter seinem Taxi in den Verkehr einfädelte.

 
41
     
     
    Dougie Kwangs Woche hatte von Anfang an auf ›beschissen‹ gestanden, und heute Abend sah es nicht besser aus. Er war bereits drei Spiele

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