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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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nicht wirklich miteinander geredet. Jedenfalls nicht so wie früher.« Ein weiteres schwaches Gelächter. »Wahrscheinlich wird er glauben, ich hätte das getan, um seine Aufmerksamkeit zu erringen. Versöhnung am Totenbett. Was für eine verdammte Melodramatik, hm?«
    Carl spürte, wie sein Mund sich anspannte, wie er unwillkürlich die Backenzähne mit aller Kraft aufeinander presste. Es kostete ihn mehr Mühe, als er geglaubt hätte, sie weiterhin anzusehen.
    »Norton hier?«, fragte sie.
    »Yeah.« Er versuchte zu lächeln. Es war, als ob er vergessen hätte, welche Muskeln er dazu benutzen musste. »Ich glaube, er ist ein bisschen verletzt, weil du zuerst nach mir gefragt hast.«
    Ertekin verzog das Gesicht. »Na ja, gut. Wird für alle Zeit sein, ist nicht so, als ob ich viele Freunde hätte.«
    Er täuschte Interesse an einem der leuchtend gefärbten Vögel um seine Füße vor.
    »Marsalis?«
    Widerstrebend schaute er auf. »Ja?«
    »Wie viel Zeit bleibt mir noch?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte er rasch.
    »Aber du weißt, wie das Haag-System funktioniert.« Etwas Drängendes in ihrer Stimme, wie eine flehentliche Bitte. »Du hast die Waffe selbst oft genug benutzt, verdammt, du musst eine Vorstellung haben.«
    »Sevgi, das hängt davon ab. Sie behandeln dich mit den allerneuesten antiviralen…«
    »Ja, genau wie die verdammte Nalan.«
    »Bitte?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Schon gut. Sieh mal, du wirst mir nicht mehr Angst einjagen können, als ich sowieso schon habe. Sag mir die Wahrheit! Sie können es nicht aufhalten, oder?«
    Er zögerte.
    »Sag mir die verdammte Wahrheit, Carl!«
    Er sah ihr in die Augen. »Nein. Sie können es nicht aufhalten.«
    »Gut. Jetzt sag mir, wie viel Zeit mir bleibt!«
    »Das weiß ich nicht, Sevgi. Ehrlich. Sie können es vielleicht mit dem, was sie hier haben, unterstützen, vielleicht es ausreichend nachbauen…«
    Er sah den Ausdruck auf ihrem Gesicht und hielt inne.
    »Wochen«, sagte er. »Äußerstenfalls ein paar Monate.«
    »Danke.«
    »Sevgi, ich…«
    Sie hob die Hand, brachte ein Lächeln für ihn zuwege, erhob sich aus dem Stuhl.
    »Ich geh runter zum Fluss. Willst du mitkommen? Sie haben mir gesagt, ich solle mich nicht überanstrengen, sogar hier drin nicht. Stimulus-Rückkopplung, anscheinend hat es auf das Nervensystem fast dieselbe Wirkung wie in echt. Aber ich glaube, ich würde gern noch spazieren gehen, solange ich es noch kann.« Sie hielt das Buch hoch. »Und man kommt ohne Pause nur mit einer bestimmten Menge an Poesie aus dem fünfzehnten Jahrhundert zurecht, weißt du.«
    Er las den Titel von dem uralten rostbraunen und grünen Einband ab. Der duftende Garten – Ibn Mouhammad al-Nafzawi.
    »Gut?«
    »Die Rezepte für Aphrodisiaka sind zweifelhaft, aber der Rest ist ziemlich solide, ja. Habe mir stets versprochen, dass ich eines Tages dazu käme, es zu lesen.« Wiederum das kurze Aufflackern von Furcht in ihren Augen, rasch unterdrückt. »Besser spät als nie, stimmt’s?«
    Wiederum wusste er nichts zu antworten, weder auf ihre Worte noch auf das, was er in ihren Augen gesehen hatte. Er folgte ihr über den Rasen zum Geräusch des Wassers und half ihr, die herabhängenden Zweige zurückzuschieben, die den Weg versperrten. Sie duckten sich hindurch und richteten sich unter dem sonnenbeschienenen Blattwerk am Ufer des seichten Stroms wieder auf. Sevgi sah eine Weile lang auf das Wasser, wie es an ihnen vorüberrauschte.
    »Ich muss dich um einige Gefallen bitten«, sagte sie leise.
    »Natürlich.«
    »Du musst hier bleiben. Ich weiß, ich habe gesagt, du wärest frei zu gehen, ich weiß, ich habe dich mehr oder weniger weggeschickt, aber…«
    »Keine Sorge.« Ihm stieg ein Kloß in die Kehle. Er musste die Woge der Wut zurückdrängen. »Ich werde nicht einfach so weggehen. Onbekend ist ein wandelnder Toter. Und ebenso der, der ihn geschickt hat.«
    »Gut. Aber das ist nicht das, was ich gemeint habe.«
    »Nein?«
    »Nein. Die Ereignisse jetzt reichen mehr als genug dazu aus, den Fall weit offen zu halten. Es wäre gut, wenn du da wärest und helfen könntest, nachdem ich…« Sie vollführte eine schwache Geste auf das strömende Wasser. »Aber das ist es nicht, worum ich dich bitte. Das ist, nun ja, selbstsüchtiger.«
    »Ich bin wegen dir am Leben, Sevgi«, sagte er tonlos. »Dafür kannst du sehr, sehr viel Nachsicht beanspruchen.«
    Sie wandte sich um. Berührte seine Hand.
    Es folgte ein kurzer, viszeraler Schock. Taktiler Kontakt war

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