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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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seinem Kopf wie ein Feuer, tränenlos neben dem kleinen Bach, all die Dinge, die sie nicht sagte. All die Dinge, die auch er nicht sagte.
    Die Bürokratie der Koloniepolizei auf der Marsseite war widerlich und auf sich selbst bezogen. Gutierrez’ Festnahme und Verhör waren vergleichsweise einfach gewesen – die Kolonie verstand auf ihre eigene plumpe Weise, wie man das anstellen musste. Aber eine offizielle Verbindung zur Außenwelt aus der Haft heraus mit einer Person, die nicht COLIN angehörte, war anscheinend einfach zu exotisch, als dass es dafür schon einmal einen Präzedenzfall gegeben hätte. Er brauchte drei Rangebenen, bis er jemanden erreichte, der tat, was er ihm sagte. Und die Entfernung half dabei nicht – Mars war gegenwärtig zwar nur weniger als zweihundertundfünfzig Millionen Kilometer weit weg, und die Übertragungszeit betrug etwa dreizehn und eine halbe Minute hin und her. Aber das war fast eine volle halbe Stunde für jede Frage und Antwort. Irgendwie schien das symbolisch zu sein.
    Marsalis schlich draußen herum, gelegentlich sichtbar durch die kopfhohen Fenster in der Tür. Es lag ein kleines, gemeines Vergnügen darin, den Dreizehner vom Vorbereitungsprozedere auszuschließen, ein Impuls, den Norton nur zu gut als das menschliche Äquivalent eines Katers erkannte, der mit Pisse sein Territorium abgrenzte.
    Er war zu müde, um gegen diesen Drang anzukämpfen, irgendwie zu wütend, um sich durch sein Verhalten in Verlegenheit gebracht zu fühlen. Er schlug die Bürokratie in der Kolonie mit einem kalten, beherrschten Ärger nieder, von dessen Existenz in sich selbst er gar nichts gewusst hatte, appellierte an die Vernunft, wo es möglich war, schüchterte ein und drohte, wo es nicht möglich war. Er wartete das lange Schweigen der Verzögerung, die den ganzen Prozess begleitete, mit der Geduld eines Roboters ab. Nichts von allem schien etwas zu bedeuten, außer als Möglichkeit, das Wissen beiseite zu schieben, dass Sevgi sterben würde, gerade im Augenblick schrittweise starb, während ihr Immunsystem unter den wiederholten Angriffen der Falwell-Viren und ihren Mutationen ins Schlingern geriet.
    Schließlich ließ er Marsalis ein. Trat den Kommandositz ab und setzte sich auf einen Stuhl an der Seitenwand des Raums. Starrte den Dreizehner mit leerem Blick an, als dieser sich setzte.
    »Sie meinen wirklich, dass das funktioniert?«
    Seine Stimme tönte schlaff und apathisch in den eigenen Ohren, lustlos auf Grund emotionaler Überlastung.
    »Kommt drauf an«, erwiderte Marsalis und musterte die Countdown-Uhr oberhalb der Linse und des Bildschirms vor sich.
    »Worauf?«
    »Darauf, ob Franklin Gutierrez weiterleben möchte oder nicht.«
    Die letzten Anzeigen blinkten auf, der Empfänger klingelte, und auf dem Bildschirm tauchte das abgerissene Bild eines gleichartigen Übertragungsraums auf dem Mars auf. Gutierrez saß dort. Er war gesäubert worden, seitdem ihn Norton zuletzt gesehen hatte, wie er aus dem Verhör geschleift worden war. Um seine verletzte Hand lag ein sauberer Gipsverband, und die Verletzungen rund ums Gesicht und die Augen waren mit Entzündungshemmern behandelt worden. Er sah leicht stirnrunzelnd in die Kamera, warf einen Blick zur Seite auf jemanden außerhalb des Bildschirms, räusperte sich daraufhin und beugte sich vor.
    »Bis ich sehe, wer, zum Teufel, am anderen Ende sitzt, sage ich kein Wort. Kapiert? Wenn du diese Trottel dazu bringst, ihre Klauen von mir zu nehmen, können wir vielleicht einen Deal machen. Aber erst, wenn ich dein Gesicht gesehen habe, nicht eher.«
    Er lehnte sich zurück. Das Zeichen für das Ende der Übertragung flackerte in grünem Maschinencode über den Schirm, und das Abbild erstarrte. Das Online-Lämpchen glühte orangefarben. Marsalis saß da, sah auf den Schirm und regte sich nicht mehr als ein Leichnam.
    »Hallo Franklin«, sagte er ausdruckslos. »Erinnerst du dich an mich? Eigentlich bin ich mir da ziemlich sicher. Da du jetzt also weißt, wer am anderen Ende der Leitung sitzt, hörst du mir besser sorgfältig zu. Du wirst mir alles sagen, was du über Allen Merrin weißt, und warum du geholfen hast, ihn nach Hause zu schicken. Du bekommst dazu eine Chance. Enttäusche mich nicht.«
    Er legte den Schalter auf der Lehne um, und die Übertragung wurde besiegelt und losgeschickt. Der Zähler über ihnen fing erneut zu zählen an.
    »Sie werden mir verzeihen, wenn ich noch nicht sonderlich beeindruckt bin«, sagte Norton.
    Marsalis

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