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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Was, wenn sie einfach hingegangen und dich interniert hätten?«
    Ein weiteres Schulterzucken, ein weiteres verzerrtes Grinsen. »Dann hätte ich vermutlich ausbrechen und davonlaufen müssen. Genau wie all die anderen Schwachköpfe.«
    Sie legte sich zurück und keuchte leicht von der Anstrengung.
    »Ich glaube dir nicht«, sagte sie, als sie wieder zu Atem gekommen war. »Das ganze Risiko, nur weil der Mars eine Jauchegrube ist? Unmöglich. Du hättest stattdessen das Bare kriegen können. Delaney für alles anzapfen können, was du da draußen haben wolltest. Dich etablieren. Komm schon, Carl! Weshalb bist du wirklich zurückgekommen?«
    Er zögerte. »So wichtig ist das wirklich nicht, Sevgi.«
    »Mir schon.«
    Draußen auf dem Korridor ging jemand entlang. Ein Stimmengemurmel, sich entfernend. Er seufzte.
    »Sutherland«, sagte er.
    »Dein Sensei.«
    »Ja.« Er hob die Hände vom Schoß in dem Versuch, es für sich selbst in Worte zu fassen. »Siehst du, mit Tanindo gelangst du an einen Punkt. Auf eine Ebene, wo es nicht mehr darum geht, wie du es ausübst, sondern nur noch, warum. Warum übst du, warum lernst du. Warum lebst du. Und dorthin konnte ich nicht gelangen.«
    »Du hast nicht gewusst, warum?« Sie stieß ein atemloses Gelächter aus. »He, willkommen im Club! Meinst du, irgendwer von uns wüsste, warum er diesen Scheiß tut?«
    Carl ließ ein Echo ihrer Belustigung über die eigenen Lippen treten, allerdings eher abwesend. Er starrte über das Bett und ihre Gestalt unter dem Laken hinweg wie über eine Landschaft.
    »Sutherland sagt, für normale Menschen sei es leichter«, sagte er distanziert. »Ihr Menschen errichtet bessere Metaphern, glaubt tiefer an sie. Er sagte, ich müsse etwas anderes finden. Und bis dahin war ich blockiert.«
    »Sutherland ist auch ein Dreizehner, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Wie ist es ihm also gelungen?«
    Carl nickte. »Tja. Er hat mir einen Weg gezeigt. Einen funktionsfähigen Ersatz für den Glauben.«
    »Und das war?«
    »Er hat mich angewiesen, eine Liste anzufertigen, sie für mich zu behalten und mich darauf zu konzentrieren. An einem Punkt wollte ich elf Dinge in dem erledigen, was der Rest meines Lebens wäre. Dinge, die für mich wichtig waren, Dinge, die zählten.«
    »Du hast dich nicht auf das runde Dutzend festgelegt?«
    »Die Zahl ist nicht wichtig. Elf, zwölf, neun, ist nicht wichtig. Am besten wäre die Liste nicht zu lang, weil das sonst den Zweck der Übung verfehlte. Ansonsten jedoch sucht man sich einfach eine Zahl aus und fertigt die Liste an. Ich habe die Elf ausgewählt.« Wiederum zögerte er und sah sie fast entschuldigend an. »Für neun davon, begriff ich, musste ich auf der Erde sein.«
    Die Stille des Krankenhauses umschloss sie wieder. Er sah in dem Dämmerlicht, wie sie den Kopf wandte, um aus dem Fenster zu sehen.
    »Hast du sie schon alle erledigt?«, fragte sie ruhig.
    »Nein. Noch nicht.« Stirnrunzelnd räusperte er sich. »Aber ich werde sie abarbeiten. Und es funktioniert. Sutherland hat recht gehabt.«
    Ein paar Augenblicke lang schien sie nicht zuzuhören, schien sich in der Dunkelheit draußen vor dem Fenster verloren zu haben. Dann fuhr sie wieder zu ihm herum, wobei das Haar trocken über das Kissen rutschte, und sah ihn an.
    »Möchtest du ein Geheimnis von mir erfahren?«
    »Natürlich.«
    »Vor drei Jahren hatte ich geplant, jemanden ermorden zu lassen.«
    »Ja?«
    »Ja, ich weiß. Jeder denkt hier und da daran, jemanden ermorden zu lassen. Aber das war echt. Ich habe mich hingesetzt und es ausgearbeitet. Damals kannte ich Leute, Polizisten und Ex-Polizisten, die mir was schuldig waren. Da war dieser zufällige Tod, als ich noch auf Fußstreife ging, erst wenige Jahre zurück, große Augen und unschuldig.« Sie hustete ein wenig. »Ach, das ist eine lange Geschichte, werde dich nicht mit den Einzelheiten langweilen. Nur, dass dieses Verhör einmal die Grenze überschritten hat. Ich war dort, sah es den Bach hinuntergehen. Vermutlich würdest du sagen, ich war Komplizin. Die Abteilung innere Angelegenheiten war bestimmt darauf bedacht, es so hinzustellen. Druck kam von oben, sie wollten, dass ich als Gegenleistung für Immunität die Seiten wechselte. Aber sie konnten nicht beweisen, dass ich im Zimmer war, und ich hielt dicht. Damit blieben sie stecken, und ihr halber Fall brach zusammen. Also spazierten neun Jahre später, das sind drei Jahre her, wie ich dir gesagt habe, Typen mit einer Polizeimarke in New York herum, die

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