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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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nichts.«
    »Nein, aber es könnte andere wie Sie in der Zukunft betreffen.«
    Jetzt entdeckte er, dass er lächeln konnte – ein dünnes, hartes Lächeln, die äußeren Anzeichen von Heiterkeit. »Es wird keine anderen wie mich in der Zukunft geben. Nicht auf diesem Planeten. Eine weitere Generation noch, und wir werden alle verschwunden sein.«
    »Sind Sie deswegen ungläubig? Fühlen Sie sich verlassen?«
    Das Lächeln wurde zu etwas Ähnlichem wie einem Lachen. »Sie werden wohl entdecken, Doktor Ertekin, dass der Terminus technicus dafür ›Übertragung‹ lautet. Sie sind derjenige, der sich verlassen fühlt. Ich habe nichts anderes erwartet, als allein zu sein, also bringt es mich nicht weiter aus der Fassung, wenn ich herausfinde, dass es die Wahrheit ist.«
    Marisol hockte in seinem Schädel und nannte ihn einen Lügner. Elena Aguirre geisterte vorbei. Sie flüsterte etwas. Er unterdrückte einen Schauder und redete, um ihn sich vom Leibe zu halten.
    »Und Ihnen entgeht ebenso ein ziemlich wichtiger Punkt in meinen fehlenden religiösen Überzeugungen. Um ein Gläubiger zu sein, muss man nicht allein glauben, man muss ebenfalls etwas Großes und Patriarchalisches um sich herum wollen, das sich für einen um das Wesentliche kümmert. Man muss anfällig zur Anbetung sein. Und Dreizehner beten nicht an, weder etwas noch jemanden. Selbst wenn Sie einen Dreizehner gegen alle Evidenz überzeugen könnten, dass es wirklich einen Gott gibt, so würde er in ihm bloß eine Bedrohung sehen, die eliminiert werden müsste. Wenn Gott wirklich beweisbar wäre?« Er sah Ertekin hart in die Augen. »Typen wie ich würden bloß nach Möglichkeiten suchen, ihn zu finden und niederzubrennen.«
    Ertekin zuckte zusammen und sah beiseite.
    »Sie hat mit Ihnen eine gute Wahl getroffen«, murmelte er.
    »Sevgi?«
    »Ja.« Noch immer beiseite schauend, in einer Jackentasche fummelnd. »Sie werden das hier brauchen.«
    Er reichte Carl ein kleines Päckchen, versiegelt in einem rutschigen antiseptischen weißen Umschlag mit orangefarbenen Blitzen als Warnzeichen. Die Beschriftung in einer Sprache, die er nicht lesen konnte, seinem Gefühl nach vielleicht Deutsch, mit vielfachen Vokalen. Carl wog es in der Hand.
    »Stecken Sie es bitte weg«, sagte Ertekin zu ihm.
    Der Garten füllte sich mit Studenten und medizinischem Personal. Sie kamen aus der Mittagspause und genossen die Sonne.
    »Das ist schmerzlos?«
    »Ja. Ist von einer holländischen Firma, die auf solche Sachen spezialisiert ist. Es wird von der Injektion an etwa zwei Minuten benötigen.«
    Carl verstaute das Päckchen.
    »Wenn Sie das mitgebracht haben«, fragte er ruhig, »warum brauchen Sie mich dann?«
    »Weil ich es nicht tun kann«, erwiderte Ertekin schlicht.
    »Weil Sie Moslem sind?«
    »Weil ich Arzt bin.« Wiederum sah er auf seine Hände. Sie hingen schlaff in seinem Schoß. »Und weil ich, selbst wenn ich keinen Eid geschworen hätte, mich nicht in der Lage glaube, dem Leben meiner eigenen Tochter ein Ende zu setzen.«
    »Es ist, was sie möchte. Es ist, worum sie gebeten hat.«
    »Ja.« In Ertekins Augen sammelten sich Tränen. »Und jetzt, wo es am meisten darauf ankommt, entdecke ich, dass ich ihr nicht geben kann, was sie will.«
    Plötzlich nahm er Carls Hand. Sein Griff war trocken und kraftvoll. Die Tigeriris brannte, als er Carl ansah, und er zwinkerte die Tränen beiseite, sodass sie über die ledrige Haut rannen.
    »Sie hat Sie ausgewählt. Und tief in meiner überkritischen, zweifelnden Seele danke ich Allah dafür, dass Sie gekommen sind. Sevgi ist wieder einmal bereit, die Grenzen zu verschieben, Grenzen zu überschreiten, die andere gezogen haben, denen sie keinerlei Beachtung schenken wird. Und diesmal werde ich sie nicht im Stich lassen wie vor vier Jahren.«
    Er wischte sich die Tränen mit einer raschen, ungeduldigen Geste der Hand weg.
    »Diesmal werde ich meiner Tochter beistehen«, sagte er. »Aber Sie müssen mir helfen, Dreizehner, damit ich ihr gegenüber nicht wieder versage.«
     
    Der Haag-Komplex reißt an Sevgis System wie ein Vakuum an den Dingen in einem Raumschiff, das plötzlich ein Loch hat. Zellwände platzen, lebenswichtige Flüssigkeiten sickern heraus. Müll fliegt umher, ihr Immunsystem gerät ins Stolpern, überschwemmt sich selbst verzweifelt, klammert sich an die Anti-Viral-Verstärker, mit denen Stanford es füttert, und versagt trotzdem. Ihre Lungen füllen sich. Ihre Nierenfunktionen werden langsamer und müssen

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