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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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Handkante.
    »Sie haben Karriere gemacht, weil Sie Ihre eigene Art betrogen haben. Kein Grund, weswegen Sie jetzt Halt machen sollten, oder?«
    »Ren, ich möchte Ihnen etwas sagen. Ich weiß nicht mal mehr genau, ob ich überhaupt noch meine Lizenz habe.« Erinnerungen an di Palma stoben durch seinen Kopf, an den pedantischen Bürokraten, seinen Vorgesetzten in der Agentur. »Und falls ich sie noch habe, ist sie das Erste, was ich nach meiner Rückkehr zurückgeben will.«
    »Sinneswandel, hm?« Es war nicht völliger Hohn.
    Weiteres Schweigen. Zum ersten Mal fiel ihm die Kühle in der Luft auf. Sein Blick glitt immer wieder zu den Marin-Bergen zurück, zu dem verschwindenden Verkehrsstrom Richtung Norden. Als wäre da etwas, das auf ihn wartete. Ren stellte anscheinend im Kopf Berechnungen an.
    »Zwei Gründe«, sagte sie schließlich. »Erstens wird er mich wahrscheinlich erwarten. Auf Sie hat er keinen Grund aufzupassen.«
    »Wenn ich dort stünde, wo Sie sind, wäre dieses Risiko nicht ausreichend Grund für mich, die Sache einem Stellvertreter zu übergeben.«
    »Ich weiß. Aber Sie sind ein männlicher Dreizehner. Ich bin ein wenig schlauer. Für mich reicht das Wissen aus, dass es erledigt wird. Ich muss nicht da sein und das Blut riechen.«
    »Vielleicht bin ich schlauer, als Sie glauben. Vielleicht tu ich’s einfach nicht.«
    Er sah ihr Lächeln. »Na ja, sehen wir mal.«
    »Sie haben zwei Gründe erwähnt.«
    »Stimmt.« Jetzt war sie diejenige, die über das Wasser hinausschaute. »Offenbar bin ich schwanger.«
    Das Schweigen schien zwischen ihnen hereinzutreiben wie dunkler Nebel von der Bay. Der Lärm der Stadt, sowieso schon recht schwach, zog sich bis an den Rand der Wahrnehmung zurück. Carl legte die Hände flach auf die steinerne Mauer und sah in der Düsternis auf sie herab.
    »Meinen Glückwunsch.«
    »Ja, danke.«
    »Von Merrin? Oder vom Machetenjungen?«
    »Ich weiß es nicht, und es ist mir auch ziemlich egal. Und Ihren Freunden von der Agentur auch. Es reicht aus, dass die Mutter eine bestätigte Dreizehner ist, da braucht man sich wegen des Vaters keine Sorgen mehr zu machen. Sie werden alles, was sie aufbieten können, hinter mir herschicken. Ich muss verschwinden, Marsalis. Aussteigen und irgendwohin gehen, wo es sicher ist.«
    »Stimmt.« Er legte die Arme gegen die Kühle um sich und wandte sich ihr zu. »Andererseits haben Sie einen größeren Vorteil gegenüber der Agentur.«
    »Und der wäre?«
    »Die wissen nicht mal was von Ihrer Existenz.«
    Und irgendwo in seinem Kopf tönte Sevgi Ertekins Stimme.
    Baba, er ist ein guter Mann. Er ist sauber.
    Carmen Ren betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen. »Stimmt genau. Gerade im Augenblick wissen sie nichts von meiner Existenz.«
    Carl schaute wieder weg, hinaus über die Bay. Etwas schmerzte ihn in der Kehle. Sevgi, Névant, all die anderen. Sein ganzes Leben schien im Kummer zu pulsieren.
    »Von mir werden sie nichts erfahren«, sagte er.

 
49
     
     
    Es war ein merkwürdiges Gefühl, die Büros der Human Cost Foundation in der Realität zu betreten. Erinnerungen an das V-Format prallten mit der wirklichen Architektur des Empfangsbereichs und der Korridore zusammen, die davon wegführten. Hier saß keine Sharleen, in der Wartezone befand sich überhaupt niemand, und die Wände waren von einem blasseren, kühleren Blau als in seiner Erinnerung. Die Kunstwerke waren nicht dort. Stattdessen schrien Drucke und Poster, die jedoch schmuddelig und abgegriffen erschienen, die Parole ›Erde Zuerst!‹ Jeff selbst wirkte, als er zu seiner Begrüßung herantrat, ähnlich erschöpft.
    »In Fleisch und Blut«, sagte er und packte Norton kurz bei den Schultern. »Nette Überraschung.«
    Norton erwiderte die kurze Umarmung. »Ja, rein geschäftlich, furchte ich. Bin gekommen, um mir mal wieder dein professionelles Wissen zunutze zu machen. Das ist Carl Marsalis. Marsalis, mein Bruder Jeff.«
    Jeff schüttelte dem Dreizehner die Hand, ohne mit der Wimper zu zucken. »Natürlich. Hätte Sie von den Nachrichtenbildern her erkennen sollen. Kommt ihr bitte mit?«
    Sie nahmen einen anderen Korridor als den, an den sich Norton vom virtuellen Büro her erinnerte, und natürlich verschwamm er auch nicht so, wie er es in der Virtualität getan hatte. Sie kamen an Türen mit billiger Kunststoffbeschriftung vorüber, die Hinweise auf den alltäglichen Trott der Stiftung gaben: Traumaberatung, Verbindung zur Küstenwache, Erwiderung von Anklageschriften,

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