Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Magen hatte, und zwar über Tsais gesamten Schauplatz des Verbrechens.
    Deinem Schauplatz des Verbrechens, willst du sagen.
    Das ist deiner, Sev.
    Sie beugte sich ein wenig vor und nahm den toten Mann genauer in Augenschein. Nahm ihn in Besitz.
    »Alberto Toledo«, sagte Tsai ruhig. »Ingenieur in der Stanley-Blase, atmosphärische Nanotechnologie. Sechsundfünfzig Jahre alt. Heimaturlaub.«
    »Ja, ich weiß.« Biogenetische Einzelheiten kochten von dem zerstörten, höhnisch grinsenden Gesicht hoch wie geisterhaftes Geflüster. Jobdetails, Lebenslauf, familiärer Hintergrund. Der hier hatte irgendwo eine Tochter. Das Fleisch beider Wangen war bis zum Knochen heruntergeschält worden, an dem nach wie vor strähnige Überreste klebten. Der Kiefer war herabgerissen. Die Augen…
    Sie schluckte. Immer noch ein wenig flau im Magen. Norton trat zu ihr, legte ihr eine Hand auf die Schulter.
    »In Ordnung, Sev?«
    »Ja, mir geht’s gut.« Sie klammerte sich an die Tatsachen. Horkan’s Pride hatte fast die gesamten siebeneinhalb Monate ihres langen Rücksturzes zur Erde nicht mit ihnen gesprochen. »Captain, das… muss kürzlich passiert sein.«
    Tsai zuckte mit den Achseln. »Antibakterielle Wirkstoffe im atmosphärischen System des Schiffs, hat man mir gesagt. Aber ja, wir vermuten, dass Alberto hier wahrscheinlich einer der Letzten war.«
    »Der Letzten?«
    Sevgi warf Norton bei diesen Worten einen Blick zu und war erfreut zu sehen, dass er ebenso angeschlagen aussah, wie sie sich fühlte. Nebenbei nahm sie den ätzenden Geruch von Erbrochenem in der Luft des engen Raums um sie herum wahr. Es war merkwürdig tröstlich, das Wissen, dass andere zuvor bei dem Anblick so reagiert hatten, wie sie es am liebsten auch getan hätte. Das machte es ihr einfacher, sich zurückzuhalten.
    »Was ist mit den Gliedmaßen passiert?«, brachte sie fast beiläufig hervor.
    »Chirurgisch abgetrennt.« Tsai winkte den Korridor hinauf. »Sie sind immer noch dabei, das Log des Autochirurgen herunterzuladen, also wissen wir nicht genau, wie es gemacht wurde, aber es ist die offensichtliche Erklärung.«
    »Wie ist er dann also letztlich hier oben hingekommen?«
    Der Captain nickte. »Nun, das ist schon ein wenig schwieriger. Könnte sein, dass der Aufprall die Leichen umhergeschleudert hat. Wir fanden die meisten Kryokappen offen, Nährflüssigkeit über Fußboden und Wände verspritzt. Sieht so aus, als hätte derjenige, der das hier veranstaltete, nicht viel Wert aufs Saubermachen gelegt, zumindest am Schluss.«
    »Die Korridorverriegelung hätte sich beim Absturz schließen sollen«, meinte Norton knapp. »Diese Schiffe schotten sich unter Notfallbedingungen abschnittweise ab. Nichts hätte so von einem Ende zum anderen geworfen werden können. Unmöglich.«
    »Na ja, ist nur eine Theorie.« Tsai winkte wieder den Korridor hinauf und hinab. »Aber Sie sehen doch selbst. Nicht gerade viel Abschottung. Sie möchten sich die Kryokappen-Sektion anschauen?«
    Sevgi sah den Gang entlang, wo weitere Notbeleuchtung die Umgebung der Schlafgestelle erhellte. Sie sah die Gestalten, die sich dort unten bewegten, hörte einige Stimmen. Das kurze Rasseln eines Gelächters. Das Geräusch warf sie mit einer fast körperlichen Gewalt zu ihren Tagen bei der Mordkommission zurück, wenn es zum Schauplatz des Verbrechens ging. Schwarzer Humor und abgebrühte Kameraderie, das leise Pochen einer Intensität, die jedem verwehrt war, der nicht in diesem Pulsschlag mitarbeitete, und das Anlegen einer Losgelöstheit, die mit der Gewohnheit kam. Schon unheimlich, bei welchem Scheiß man Gefühle der Nostalgie verspürt, Mädchen! Es erschreckte sie ein wenig, weil sie nämlich das Ausmaß begriff, bis zu dem sie sich trotz des flauen Gefühls im Magen wieder auf jene Welt und ihre dunklen Verfahren stürzen wollte.
    »Die anderen Leichen«, meinte sie, als sie durch das Syn wieder klar im Kopf wurde, »sie sind alle so verstümmelt wie die hier, stimmt’s?«
    Tsais Gesicht war eine Maske. »Oder schlimmer.«
    »Haben Sie die Gliedmaßen gefunden?«
    »Nicht als solche.«
    Sevgi nickte. »Nur Knochen, ja?«
    Oh, Ethan, du hättest hier sein und dir das ansehen sollen! Diesmal ist es wirklich geschehen, genau so, wie du es mir immer scherzhaft angedroht hast.
    »Stimmt.« Tsai sah sie an wie ein Lehrer ein schlaues Kerlchen.
    »Sie müssen sich einen verdammten Witz machen«, meinte Norton sehr ruhig.
    Sevgi wandte sich um und sah ihn voll an. Es war ein

Weitere Kostenlose Bücher