Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
ehrerbietigem Schweigen da und wartete darauf, direkt befragt zu werden. Seine höheren interaktionalen Funktionen waren offensichtlich nicht eingeschaltet worden. Norton nickte zu dem entblößten Grinsen eines weiblichen Leichnams hinauf, und es sprang hervor und zeigte sich ihnen. Visuell waren Entfernungen von der Anlage her schwer definierbar, das angepeilte Objekt passte sich je nachdem, wie der Benutzer sich konzentrierte, wie durch eine Linse gesehen an. »Was ich nicht verstehe, ist die Sauerei. Ich verstehe, dass man, wenn man sie alle umbringt, nichts Verdächtiges herumliegen lässt, mit oder ohne Arme und Beine. Aber warum das Blut an den Wänden? Warum die Gesichter dermaßen verstümmeln?«
    »Weil er völlig durchgeknallt war, verdammt«, knurrte Coyle. »Er hat das Zeug wahrscheinlich auch gegessen, nicht?«
    »Schwer zu sagen.« Das Pathologie-’face schaltete sich wieder ein, streckte den Finger aus und zog eine Blase mit Daten aus einem der anderen Ordnerhäuser. »Beweise, eingesammelt von der Kücheneinheit, weisen auf Fleisch hin, Fleisch, das von den Schädeln abgekratzt, vielleicht gekocht und verzehrt wurde. Was anscheinend nicht der Fall gewesen ist bei den Augen, die herausgedrückt und dann weggeworfen wurden.«
    Sevgi schenkte den herangezogenen Bildern kaum einen Blick. Es war in jeder Hinsicht sowieso ein wenig zu abstrakt, als dass es Menschen leicht verdauen könnten – Skizzen molekularer Spuren sowie daneben eine hingekritzelte Zusammenfassung über den Effekt von Mikrowellen. Später würde sie zum Datenhaus hinüberwandern und sie sich in der eigenen Schrittgeschwindigkeit nochmals ansehen. Eben gerade starrte sie zum zerstörten Gesicht von Helena Larsen hinauf. Spezialistin für Demodynamik, psychiatrische Sachverständige. Geschieden, nicht lange danach angeheuert für den Mars. COLIN hatte viele solche. Man trennt sich von allem, was man gekannt hat, warum auch nicht! Die Stützen deines Lebens bröckeln unter dir weg, man benötigt vielleicht Bargeld. Drei Jahre, die minimale Einsatzzeit für qualifiziertes Personal, erscheinen plötzlich vernünftig. Auf dem Mars verdient man viel Kohle, und zumindest für diejenigen mit Kurzaufenthalt gibt’s nichts, wofür man sie ausgeben könnte. Du wirst reich heimkehren, Helena Larsen. Du wirst mit Geschichten eines fremdartigen Horizonts heimkehren, die du den Kindern erzählen kannst, die du eines Tages haben wirst. Zum Ausgleich wird dein Ansehen durch diesen Ausflug steigen, und er wird sich gut in deinem Lebenslauf machen. Du wirst weitergekommen sein. Wirst besser dran sein, als in den Ruinen deines alten Lebens herumzusitzen, nicht wahr? Besser, als an den Fragmenten kleben zu bleiben, die du…
    »Ermittler Ertekin?«
    Sie blinzelte. Ihr war entgangen, was Coyle zu ihr gesagt hatte.
    »Tut mir leid, hab gerade nachgedacht«, erwiderte sie wahrheitsgemäß. »Was, äh…?«
    »Ich habe gefragt«, sagte der Polizist mit dem übertriebenen Nachdruck einer Wiederholung, »ob Sie es für wahrscheinlich halten, dass derjenige, der dies veranstaltet hat, immer noch am Leben ist?«
    Die Luft in der virtuellen Realität, sowieso schon eine starre, sterile Kühle, die im Gegensatz zur Wüstenlandschaft stand, schien noch einige Grade kühler zu werden. Norton sah Sevgi an und spürte das winzige, fast nicht wahrnehmbare Nicken, das seine Wurzeln in Intuition hatte.
    »Jemand hat die Luken herausgepustet«, bemerkte Rovayo.
    »Das hätten die Automatensysteme sein können.« Coyle warf den beiden COLIN-Repräsentanten einen hoffnungsvollen Blick zu. »Stimmt’s?«
    »Das ist eine Möglichkeit«, erwiderte Sevgi. »Bis wir den Schaden an den automatisierten Systemen und dem N-Dschinn sehen, fällt es schwer zu beurteilen, wie sich das Schiff, auf sich allein gestellt, verhalten hätte.«
    Aber in ihrem Hinterkopf baute sich ein stetiges Trommeln auf, wie Maschinen unter der Haube, wie das Poltern von Ethans Stimme, der ihr vorlas, als sie einmal eine Grippe schlimm erwischt hatte. Passagen aus Pynchon, die sie im Takt mit den Fieberschüben mehr oder weniger verschwommen wahrgenommen hatte. Sie knallte den Deckel auf ihre Erinnerungen. Stützte sich auf das kalte Funkeln des Syn, als befeuchte sie sich das Gesicht in einem Springbrunnen. »Sehen Sie mal, wir werden wissen, ob jemand lebendig rausgekommen ist, wenn…«
    »… die Ergebnisse der Spurensicherung hereinkommen«, beendete Rovayo für sie. »Genau. Aber in der Zwischenzeit

Weitere Kostenlose Bücher