Skorpion
immer noch hat, dann ist das ’ne größere Sache als irgendein Dreizehner, der bloß vom Mars runterkommt, weil ihm die ganzen roten Felsen nicht passen.«
»Ja.«
»Und Ihnen gehen die Anhaltspunkte aus.«
Das war keine Frage.
Sie setzte sich zurück und spreizte die Hände. »Ohne Zugriff auf die Datenbasen der UNGLA stecken wir fest. Wir haben alles getan, was uns einfallen wollte, und das ist nicht genug. Die Meldungen von Toten trudeln weiter ein, regelmäßig, jedoch unvorhersagbar. Es gibt keinen Crescendo-Effekt…«
»Nein, wohl kaum.«
»… aber es hört nicht auf. Er begeht keinerlei Fehler, die groß genug wären, um ihn festzunageln oder uns eine Arbeitshypothese zu verschaffen. Unsere Nachfragen auf dem Mars sind im Sande verlaufen – er hat offensichtlich dort seine Spuren gelöscht, oder, wie Sie sagen, jemand hat das für ihn erledigt.«
»Und hier unten?«
Sie nickte. »Hier unten, wie Sie ebenfalls so beredsam herausgestellt haben, ist die Zusammenarbeit mit der UNGLA oder der UN im Allgemeinen nicht gerade die allerbeste.«
»Na ja, das können Sie denen wohl kaum übel nehmen.« Er riss die Augen auf und grinste. »Es ist nicht gerade so, als wären Sie übers letzte Jahrzehnt hinweg sonderlich kooperativ gewesen.«
»Sehen Sie, München war nicht…«
Das Grinsen verblasste zu einer Grimasse. »Ich habe wirklich nicht von den Verträgen gesprochen. Ich habe mehr an den Empfang gedacht, den man uns jedes Mal in den Vorbereitungscamps bereitete, wenn wir dort zu arbeiten hatten. Wie Sie wissen, sind wir da unten ebenso herzlich willkommen wie die Evolutionstheorie in Texas.«
Sie spürte, dass sie leicht rot wurde. »Einzelne Partner von COLIN müssen nicht unbedingt…«
»Ja, schon gut, kippen Sie’s!« Ein Stirnrunzeln. »Trotzdem muss die UNGLA unter solchen Umständen einbezogen werden. Berichten Sie über einen frei herumlaufenden Dreizehner, und die müssen auf der Bildfläche erscheinen.«
»Wir wollen wirklich nicht, dass sie auf der Bildfläche erscheinen, Mr Marsalis.«
»Ah, ja.«
»Wir brauchen Zugriff auf ihre Daten, oder andernfalls muss jemand wie Sie mit unseren Profilierungs-N-Dschinns reden. Aber mehr auch nicht. Letztlich ist das eine Angelegenheit von COLIN, und wir kehren vor der eigenen Türe.«
Hör dir mal zu, Sevgi! Polizistin wird zu Firmensprachrohr in einem leichten, gut bezahlten Zug.
Marsalis beobachtete sie etliche Augenblicke lang. Er rückte ein wenig auf dem Stuhl hin und her, überlegte anscheinend etwas.
»Leiten Sie diese Kiste von New York aus?«
»Ja. Wir haben uns im Alcatrazkomplex bei RimSich Büros gemietet, aus Gründen der Zusammenarbeit mit ihren Beamten. Aber da diese Sache sich auf den Kontinent verlagert hat, kehren wir wieder in die Büros in New York zurück. Warum?«
Ein Schulterzucken. »Einfach so. Wenn ich das Suborb besteige, möchte ich gern wissen, wo ich sein werde, wenn ich wieder rauskomme.«
»Stimmt.« Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. »Nun, wenn wir dieses Suborb noch erreichen wollen, sollten wir uns vielleicht in Bewegung setzen. Ich könnte mir vorstellen, dass mein Kollege inzwischen beim Direktor fertig ist. Es wird etwas Papierkram geben.«
»Ja.« Er zögerte einen Augenblick. »Hören Sie! Hier drin gibt’s ein paar Leute, von denen würde ich mich gern verabschieden, bevor ich gehe. Leute, denen ich was schuldig bin. Ist das noch drin?«
»Natürlich.« Sevgi zuckte achtlos mit den Schultern. Sie klappte bereits das Dataslate zusammen. »Kein Problem. Ist COLIN-Privileg. Wir können so ziemlich alles tun, was wir wollen.«
Der Guatemalteke war nach wie vor in seiner Zelle, lag lang ausgestreckt auf seiner Koje und befand sich, seinem Anblick nach zu urteilen, in den Wonnen seines frisch erworbenen Endorphins. Eine halb gerauchte Zigarre kokelte zwischen den Knöcheln seiner linken Hand, und die Augen hielt er fast völlig geschlossen. Träumerisch überrascht sah er auf, als Carl über die Stäbe der halb geöffneten Tür strich.
»Hallo, Euromüll, was machst du denn hier?«
»Ich hau ab«, erwiderte Carl schneidig. »Aber du musst mir noch ’n Gefallen tun.«
Der Guatemalteke kämpfte sich mühsam von seiner Liege hoch. Er warf einen Blick hinauf zur Überwachungskamera der Zelle sowie zu der billigen Interferenzschleuder, die an der Wand gleich daneben angeklebt war. Er hatte keinen Versuch unternommen, den Störer zu verstecken, und er hatte jedes Mal dort gehangen, wenn Carl in
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