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Skorpione im eigenen Saft

Skorpione im eigenen Saft

Titel: Skorpione im eigenen Saft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Bas
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merkwürdigen Auffassung von der Sicherheit ihrer Kundschaft.
    »Keine schlechte Idee … Wenn ich dir sage, du verdammter Idiot, dass dieser beschissene Mösen leckende Köter, dessen Herrchen ein Arschloch ist, mich stört, dann genügt mir das, um aus ihm einen Schlüsselanhänger zu machen«, er kam mit seiner Visage noch näher. Er stieß solche Beleidigungen aus, dass sich meine Augen zu Schlitzen verengten. »Außerdem trägt er keinen Maulkorb«, stellte er fest und lächelte angesichts seiner spektakulären Entdeckung.
    Die am nächsten liegende Antwort hatte er mir soeben auf dem Präsentierteller gereicht, was ich mir auch nicht entgehen ließ.
    »Wer hier einen Maulkorb braucht, sind Sie.«
    Er wurde dunkelviolett, und seine blutunterlaufenen Augen wollten ihm wie Sektkorken herausspringen. Ich hoffte auf einen Schlaganfall.
    »Das lass ich mir von so ’nem Zwerg wie dir nicht sagen! Ich warte draußen auf dich! Ich werde dir die Fresse polieren!«
    Er riss mit solchem Schwung die Tür auf, dass ich dachte, er würde sie aus den Angeln heben.
    »Mach die Tür zu oder verschwinde endlich, es kommt kalt herein!«, befahl man ihm von hinten.
    Doch er ging nicht hinaus. Er blieb wie angewurzelt stehen und starrte mich herausfordernd an, sichtbar überrascht von meiner Gelassenheit. Ich nahm eine Mentholzigarette aus der Dunhill-Schachtel und zündete sie falsch herum an; wie eklig! Es war die einzige physische Reaktion, die verriet, wie viel Schiss ich wirklich hatte.
    »Tut mir Leid, mein Herr. Ich prügle mich nicht mit Psychopathen.«
    Er war wie vor den Kopf geschlagen. Es dauerte eine Weile, bis er reagierte. Ich hatte ins Schwarze getroffen.
    Das Dunkelviolett wurde zu Aschgrau, und ein wenig blutiger oder weingetränkter Schaum trat aus seinem Mund. Er zerrte so heftig und ungeschickt an seinem Mantel, dass er sich kurzzeitig darin verhedderte. Es war eine gute Gelegenheit, ihm den Bergkristallaschenbecher, der sich in Reichweite befand, auf den Schädel zu schlagen, aber ich bin ein Gentleman aus Bilbao und kein Kneipenschläger.
    »Komm schon, du Arschloch! Ich warte draußen auf dich!«
    Er stürmte hinaus, blieb mitten auf dem Bürgersteig stehen und warf seinen Mantel voller Wut auf die Motorhaube eines dreckverkrusteten Autos, während er mich mit einer Suada von Seemannsflüchen überschüttete. Bedächtig band ich Struppi los, stand auf und rannte zu den Toiletten, wo ich mich verschanzte, indem ich die Tür verriegelte und die Gebrüder Rigoitia bat, die Bar abzuschließen oder die Polizei zu rufen. Denn zu allem Unglück hatte ich auch noch mein Mobiltelefon zu Hause liegen lassen, ein originelles Teil in Form des Arumbaya-Fetischs aus dem gleichnamigen Album von Tim und Struppi.
    Ich verließ mein Bollwerk erst eine halbe Stunde später – wie es dort stank! –, nachdem man mich schließlich davon überzeugt hatte, dass sich der Höhlenmensch, der draußen an einer Wand lehnte, nicht mehr rührte.
    Niemals hätte ich mir vorgestellt, dass dieser unerfreuliche und doch gleichzeitig so belanglose Zwischenfall der Prolog zu meiner engen Beziehung mit Antontxu Astigarraga – so hieß die Fleischwerdung von Kapitän Haddock nämlich –, der Kenntnis von seiner seltsamen und schrecklichen Lebensgeschichte und der Besorgnis erregenden Situation, in der ich mich gerade befinde, sein würde.

4
     
    »Hier endet das Leben und beginnt das Überleben«, sagt Puk, eine aufdringliche Figur aus Bernardo Bertoluccis altem Streifen Vor der Revolution, wobei er die Worte von Seattle benutzte, dem Indianerhäuptling mit der flinken Zunge. An diese Worte dachte ich am folgenden Tag, als ich versuchte, meinen Vater Don Leonardo in La Bilbaina zu treffen; und fühlte mich miserabel, als ich seine unbarmherzige Mitteilung las.
    Zu Hause hatte ich erfahren, dass er nach einem heftigen Streit mit Doña Remedios, meiner verrückten Mutter, beschlossen hatte, die Nacht im Club zu verbringen, dessen Pforten ich an diesem tristen Morgen durchschritt.
    Wie ich vermutet hatte, war die Kürzung der Kreditlinie sein Werk. Es war nicht das erste Mal, dass er mir den Hahn abdrehte und es mir gelungen war, diesen mit Schmeicheleien und leeren Versprechungen wieder zu öffnen, doch dieses Mal beschlich mich eine böse Vorahnung.
    Epifanio und Blas, die beiden Speichellecker und Dienst habenden Portiers der Morgenschicht von La Bilbaína – zwei Figuren wie aus Das Schloß von Franz Kafka oder, je nachdem, der Geschwister

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