Skorpione im eigenen Saft
Zigeuner anbellt … Ich blickte Roque streng an. Beschämt von meiner stummen Bitte um Rechenschaft für seine mangelnde Fürsorge, polierte sich der arme Pförtner einen Schuh mit besagtem Hosenbein seiner Dienstuniform.
Ich passte meinen elastischen Schritt Struppis fröhlichem Trab an und unternahm einen melancholischen Spaziergang.
3
An der Ecke zur Calle de Elcano blieb Struppi stehen, um ein Bein zu heben. Das blinkende Neoncocktailglas des nahgelegenen Twins hypnotisierte mich wie Lee Remick das Wort »Bar« in Tage des Weines und der Rosen. Ich machte kurz Kassensturz: ein einziger Schein, auch noch ein Tausender, und mehrere Hundertpesetenmünzen. Ich war am Grund des Brunnens angekommen, und den Blecheimer hatte ich auch noch auf den Kopf gekriegt; doch es reichte für zwei Dry Martinis!
Das Twins hatte ich bereits vor Jahren entdeckt und besuchte es mindestens einmal pro Woche. Es ist weder hübsch noch gemütlich noch sauber, nicht einmal die Wirte sind sympathisch, ganz im Gegenteil; dafür machen sie die besten Cocktails der Welt. Ich übertreibe nicht. Ich habe einen Haufen Cocktailbars in Madrid, Barcelona, Paris, London und New York besucht, und keine kann es mit der Güte des Twins aufnehmen.
Die Bar gibt es seit fünfundzwanzig Jahren. Die beiden Chefs, die Brüder Julián und Josemari Rigoitia, zwei streitlustige eineiige Zwillinge in den Sechzigern, vollbringen persönlich diese wundersamen Abendmahle, die alchimistischen Zauberkünste, die ihnen mit edlen Tropfen, dem Cocktailshaker und dem Mischbecher gelingen.
Margarita, Tequila Sunrise, Alexander, Whisky und Pisco Sour, Southern Comfort, Old Fashioned, Manhattan, Mojito, Vaca Verde, Sesos de Guipuzcoano, Frozen Daiquiri, Negroni, Dubonnet, Tom Collins, Gimlet, Ginfizz … sind nur ein paar von den flüssigen Psalmen, die sie mit unvergleichlicher Kennerschaft abmischen.
Meine Verehrung gilt dem kosmopolitischen Dry Martini mit Gin – der mit Wodka ist in meinen Augen ein Gesöff für russische Bauern –, den ich sehr trocken trinke, kaum angefeuchtet von der Dosis Noilly Prat, des fanzösischen Wermuts, der dafür in Frage kommt und der in einen Fingerhut passt; ohne dabei der Exzentrik eines Churchill zu verfallen, dem es genügte, dass ein Sonnenstahl durch die Flasche Wermut schien und auf das Glas fiel. Und selbstverständlich habe ich den Mischbecher lieber als den Cocktailshaker, gerührt, und nicht geschüttelt, genau andersherum als der Angeber James Bond – shaken, not stirred, he says –, der ihn, um das Maß voll zu machen, auch noch mit Wodka trinkt, diesen faden Wodkatini.
»Wir schließen gleich. Es muss schnell gehen.«
»Also wenn die Zeit drängt, zwei trockene, Josemari, mit Bombay Saphire, bitte.«
»Ich bin Julian.«
Die Zwillinge Rigoitia sind wirklich nicht zu unterscheiden. Sogar ihr Haarausfall hat sich mit den Jahren gleich entwickelt, beide haben dieselbe Warze auf der linken Wange und schnäuzen sich auf genau dieselbe Weise ohne Taschentuch.
Das Erste, was mir am Twins gefiel, war, dass an der Tür nicht eines dieser widerlichen Schilder mit dem edlen Haupt eines deutschen Schäferhundes klebte, der mit einem roten Balken durchgestrichen war. Die Zwillinge haben meinen Hund stets gut behandelt und sich bei ihren Scherzen darauf beschränkt, ihn mit Olivenkernen am Auge treffen zu wollen. Und dann diese dekadente Atmosphäre in dem Lokal, mit diesem Geruch nach Film noir und den Toiletten, deren Spülkästen nie richtig funktioniert haben.
Der ideale Ort, um eine erbärmliche Nacht wie diese zu beenden.
Außerdem birgt die Bar ein Geheimnis, das ihren Reiz noch vergrößert.
Seit das Lokal vor einem Vierteljahrhundert eröffnet wurde, reden die Zwillinge Rigoitia nicht miteinander. Niemand scheint den Grund dafür zu kennen. Jeder bedient an seiner Hälfte des Tresens, und wenn sie sich etwas mitzuteilen haben, tun sie dies über eine Tafel, die über dem Eingang zum Labor am Ende des Tresens hängt, wobei sie sich einen Spaß daraus machen, mit der Kreide ein grässliches Quietschen zu erzeugen, das die Geduld der treuen Kundschaft strapaziert.
Es gibt allerdings eine unbestätigte Legende, was diese gegenseitige Ächtung angeht.
Die Rigoitias arbeiteten ein paar Jahre in New York, bevor sie sich in Bilbao niederließen. Dort wurden sie mit cum laude in ihrer Profession ausgezeichnet; sie betrieben eine kleine Cocktailbar in Brooklyn, der sie den bedeutungsvollen Namen The Water of Bilbao
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