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Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Titel: Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Krämer
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zerfetzten Plakaten, von denen sie Robby Williams fragmentarisch angrinste.
    Das Mädchen war weg. Enttäuscht sank die Frau auf eine Metallbank und zündete sich mit fahrigen Bewegungen eine Zigarette an. Ihre Augen wanderten ruhelos hin und her. Wo war sie? Wie konnte sie einfach so verschwinden? Sicher war sie nach Hause gegangen. Zur Mutter, die ihr ein leckeres Mittagessen gekocht hatte, zu ihren Geschwistern, die sie freudig begrüßten. Zum Freund der Mutter, der die Flasche absetzte, ihr einen stummen Wink gab, dem sie folgsam gehorchte und der die Schlafzimmertür hinter ihr abschloss…
    Es begann zu regnen. Die Frau trat die Zigarette aus, bückte sich nach der Kippe und warf sie in den angesengten Papierkorb. Dies war schließlich ein Spielplatz. Eine Spritze knirschte unter ihrem Absatz. Im Sandkasten verrichtete ein hässlicher Köter sein Geschäft. Sein Besitzer, ein rotgesichtiger Fettwanst, glotzte ihr abschätzig hinterher.
    Sie würde wiederkommen. Sie schaute auf ihre Armbanduhr: 14:40 Uhr. Sie musste das Mädchen wiedersehen. Sie hatte auch schon einen Plan.
    Wieder im Wagen, führte sie drei Telefongespräche und sagte die restlichen Termine für diesen Tag ab. Sie brauchte die Zeit für wichtigere Dinge. Auf dem Weg in den grünen Süden der Stadt mit seinen hinter üppigen Gärten versteckten Villen, wies sie den Fahrer an, sie an einem großen Einkaufszentrum abzusetzen. Sie gab ihm den Rest des Tages frei. Sie würde sich nachher ein Taxi nehmen.
    Sie kaufte bei einer Billigkette mehrere Kleider, Jeans und einen schlammgrauen Mantel, verunsicherte den katzbuckelnden Verkäufer eines Schuhladens mit ihren Wünschen nach flachen, billigen Allerweltslatschen und erwarb für 14,90 Euro noch eine genauso geräumige wie geschmacklose Handtasche aus Kunststoff. Zwei Blusen, einige T-Shirts, Tennissocken und ein halbes Dutzend billige Strumpfhosen kamen noch dazu, dann suchte sie, beladen mit Tüten und Taschen, den Taxistand auf.
    Zuhause angekommen, brachte sie alles in ihr Ankleidezimmer, setzte sich anschließend in ihrem Arbeitsraum an den riesigen Schreibtisch und fuhr den Computer hoch. Am liebsten hätte sie an jedem Tag den trostlosen Spielplatz aufgesucht, um das Mädchen abzupassen. Am Ende war sie froh, an drei Tagen in der Woche einige Stunden aus ihrem prallvollen Terminkalender zu schneiden. Sie sandte alles per E-mail an ihren Sekretär in die Zentrale. Jean-Patrice würde sich um den Feinschliff kümmern. Kunden anrufen, Castings verschieben, Agenten vertrösten. Jean-Patrice war ein Schatz.
    Am Nachmittag des nächsten Tages stand sie bereits am Straßenrand, als das Taxi kam. Der Fahrer war mit Sicherheit davon überzeugt, die Putzfrau in die Stadt zu fahren und war froh, als die ärmlich wirkende Frau mit den strähnigen Haaren und den unmöglichen Klamotten hinten einstieg.
    „Wo du wolle?“, fragte er mit schrägem Blick in den Innenspiegel.
    „Vogelstang“ war die Antwort. Der Taxler nickte und setzte den Blinker. ‚Vogelstang, das passt zu dir’, dachte er und war in Gedanken bei seinem eigenen schmucken Häuschen, das er sich zusammen mit seinem Onkel im vorigen Jahr gekauft hatte. Ugur Yilmaz hatte fünf Autos laufen, sein Onkel Mehmet besaß eine kleine Spedition. Man hatte es zu was gebracht in diesem Land. Jeder konnte hier die Früchte seiner Arbeit ernten, wenn er schuften konnte und wenn er unternehmerisch dachte. Diese arme Seele dahinten kam garantiert aus Russland oder Litauen und würde es niemals zu eigenen vier Wänden bringen. Aber er hatte es bald geschafft. Die Übernahme eines lästigen Konkurrenten stand kurz vor dem Abschluss. Allah ist groß!
    Ugur schürzte die Lippen, als er das großzügige Trinkgeld bemerkte, das die Frau ihm gegeben hatte, als er sie vor einem verwahrlosten Spielplatz zwischen tristen Plattenbauten absetzte. Gepflegte Hände hatte die olle Putze …
    Seitdem saß die Frau dreimal in der Woche auf der Bank und wartete. Auf die Vergangenheit. Eine Woche verging, ohne dass sich die Erscheinung wiederholte. War es das gewesen? Eine Erscheinung? War das Mädchen nur eine höhnische Projektion ihres gepeinigten Gehirns? Fiktion? Während des Wartens und der schmerzvollen Beobachtung von Müttern und vereinzelt auch Vätern mit ihren Kindern, hatte sie sich auch einen Namen zugelegt. Sie konnte sich ja schlecht unter ihrem richtigen Namen vorstellen. Unmöglich. Absolut unmöglich! Lange hatte sie gegrübelt. Er sollte zu ihr passen.

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