Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Titel: Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Krämer
Vom Netzwerk:
gestelztem Journalistendeutsch, die Kollegen vom Boulevard bodenständig vulgär und mit großformatigen Bildern von Nadja Beck und dem „Advokat des Teufels“. Von Glimm verwandte man ein Archivbild, das ihn mit breitem Grinsen und einem Champagnerglas in der Hand zeigte. Ein Schwein. Seht ihn euch an.

2007
    Sie hatte es gespürt. Sie hatte genau gewusst, dass sie heute nicht umsonst hergekommen war. Das Mädchen war da. Seine Schultasche lag achtlos auf dem Boden, ihre langen hellen Haare flogen, ihr Mund schien die ganze Schönheit dieses Frühlingstages aufnehmen zu wollen. Sie schaukelte mit mächtigem Schwung, die kleinen Hände um die Ketten gekrallt. Das Quietschen der maroden Konstruktion drang bis zu der mit Graffiti vollgeschmierten Bank, auf der die Frau saß.
    Außer ihr und dem etwa zwölfjährigen Mädchen auf der Schaukel war nicht viel los auf dem trostlosen Vorstadtspielplatz. Auf der anderen Seite saßen zwei dunkel gekleidete Frauen mit Kopftüchern und beaufsichtigten drei kleine Buben, die mit dem übel zerbeulten Blechbagger Sand umgruben.
    Das Mädchen auf der Schaukel war wieder allein gekommen. Wie immer. Wenigstens seit die Frau sie zum ersten Mal bemerkt hatte. Vor drei Wochen. Auch an einem Mittwoch.
    Damals hatte sie gelangweilt durch die getönten Scheiben der dunklen Limousine geschaut. Sie kam vom Flughafen und der neue Chauffeur hatte nichts Besseres zu tun, als sie auf der A67 in einen nicht enden wollenden Stau zu fahren. Sie hatte ihn angewiesen, die Autobahn an der nächsten Ausfahrt zu verlassen und über Nebenstraßen in Richtung Süden zu fahren. Doch diese Idee hatten einige hundert andere auch. Stockend ruckelten die Autos hintereinander her. Wieder ein verlorener Tag. Ein grauer, dumpfer Tag voller Erinnerungen an längst vergangene Zeit. Ein Gewerbegebiet zog vorbei. Anonyme Hallen, Lastwagen, brachliegende Grundstücke voller Schutt. Dann Mietskasernen. Blocks, lieblos geometrisch um verwahrloste Plätze gruppiert, auf denen in Waschbetonkübeln Unkraut wucherte, Jugendliche Dosen umherkickten und sich auf rituelle Art begrüßten. Ein Spielplatz. Tummelplatz für Hundehalter mit ihren gefährlich wirkenden Tieren und ein paar ärmlich aussehende Frauen, die alte Kinderwägen schoben und deren Sprösslinge noch zu klein waren, um sich ihrer Discounterklamotten zu schämen.
    Das Mädchen stand neben dem rostigen Klettergerüst, eine riesige Schultasche auf ihrem schmalen Rücken. Die Frau in der schweren Limousine sah sie nur für wenige Augenblicke. Sekunden nur, doch es war lange genug. Lange genug um ihr Herz für zwei, drei Schläge aussetzen zu lassen, ihren Atem zu stoppen und ihre Hand gegen die Scheibe zu pressen. Sie war es! Sie war es wirklich! Ihre Ratio kämpfte gegen eine Gefühlswoge, die sie durchflutete wie ein mentaler Tsunami. Natürlich konnte sie es nicht sein. Niemals. Aber was war schon Logik und Vernunft, verglichen mit haselnussbraunen Kinderaugen, unbändiger Lockenpracht und diesem seltsam erwachsen wirkenden Ernst im Gesicht. Es schien, als hätte das Mädchen sie angeschaut. Absurd.
    „Stopp! Halten Sie sofort an!“, befahl sie dem Fahrer. Er widmete ihr einen kurzen, verwunderten Blick, hütete sich jedoch davor, etwas zu sagen. Die Chefin war heute nicht gut drauf. Ein Narr, wer eine schwarze Mamba kitzelte. Es waren mehrere hundert Meter von der Straße bis zu der kleinen Person in der roten Kapuzenjacke. Ein verwischter Eindruck. Flüchtig, und doch von der Intensität eines Blitzschlags. Eine Art Déjà-vu auf einer Ebene, die ihre Augen zu Zoom-Objektiven machten und ihr eine Gewissheit in die Seele impfte, gegen die alles andere verblasste.
    Sie war es! Wie in Trance stieg die Frau aus. Gehetzt schaute sie sich um. Rechts eine lange Reihe buntscheckig besprühter Garagen. Dahinter, wie ein Gebirgsmassiv in den Himmel wuchtende Plattenbaufassaden, gespickt mit unzähligen Satellitenschüsseln. Der Wagen parkte an einer Bushaltestelle. Links hinter den zersplitterten Scheiben des Wartehäuschens, war wucherndes Gesträuch einer halb verwilderte Schrebergartenkolonie zu erkennen, eher an eine südamerikanische Favela erinnernd, als an bundesdeutsches Kleinbürgeridyll.
    „Warten Sie hier!“
    Sie klemmte sich ihre Louis-Vuitton-Tasche unter den Arm, wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und ging mit kurzen, hastigen Schritten los. Vorbei an einem verbogenen Fahrradrahmen, der trotzig an einem dicken Seilschloss hing und an

Weitere Kostenlose Bücher