Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)
fünfzehn Minuten Fahrt erreichten sie schließlich die Nordostecke des Flughafens. Hier war der Bereich der sogenannten „General Aviation“, der Privat-und Geschäftsflugzeuge. Winzige einmotorige Cessnas zerrten im Winterwind an ihren Halteseilen, viele waren mit Planen über Kanzel und Motor wohl für längere Zeit stillgelegt, einige hatten ihre Positionslichter gesetzt und ließen die Motoren warmlaufen. Der Audi fuhr bis zu einem einzeln stehenden Hangar, auf den ein kryptisches Firmenzeichen aufgemalt war, das Marks noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Die Tore wurden gerade geöffnet und gaben den Blick frei auf das hell erleuchtete Innere und ein silbrig glänzendes, zweistrahliges Flugzeug von blendender Eleganz.
Der Wagen stoppte vor der heruntergelassenen Treppe und Marks und seine Begleiter stiegen aus. Ein Mann in dunkelblauer Hose und weißem Pilotenhemd kam mit federnden Schritten auf sie zu und stellte sich als Hartmut Kallenberg vor. Hinter ihm in der niedrigen Tür des Jets winkte ihnen eine attraktive Frau Mitte vierzig freundlich zu.
„Hübsche Stewardess“, bemerkte Marius und erntete ein breites Grinsen von Kallenberg.
„Das ist Doreen Carnes, Chefpilotin bei Ring-Star-Enterprises. Dies ist ein Checkflug für mich. Also halten Sie sie bitte bei Laune.“
Der Gorilla schwieg beeindruckt und Marks ging ein Licht auf. Ring-Star-Enterprises war der nordamerikanische Ableger der BarTex. Eines von vielen Steinchen im unübersichtlichen Konglomerat der Barlow Holding. Das Flugzeug, eine Gulfstream, deren Reichweite sogar die kapitaler Düsenriesen wie der Boeing 747 übertraf, gehörte einer Frau, deren Reichtum ihrer Schönheit in nichts nachstand, deren Geschäftssinn selbst internationale Spekulanten in die Flucht trieb und die ihn gerade aus dem Knast geholt hatte.
Die zwei Gorillas nahmen diskret im hinteren Bereich Platz, während ihn eine zierliche Philippinin zu seinem Platz fast unmittelbar hinter dem Cockpit geleitete. Sie fragte nach seinen Wünschen, erklärte ihm das Multimediapanel auf dem polierten Edelholztisch und verschwand in Richtung der winzigen Galley, um sein Getränk zu holen. Der Wunsch nach einem frisch gezapften Hefeweißbier schien sie nicht im Geringsten in Schwierigkeiten zu bringen. Tatsächlich stand wenig später ein schaumgekröntes Weizenbier vor ihm. Das kleine Glas erweckte in ihm allerdings den Verdacht, dass dieser Gerstensaft frisch aus einer Weißblechdose „gezapft“ worden war. Egal. Er gönnte sich einen kräftigen Schluck, wischte sich den Mund und ließ sich behaglich in den schwülstigen Ledersessel sinken. Eine leise Erschütterung kündigte den Rollout an und langsam glitten die Wände des Hangars an dem schnittigen Jet vorüber. Entspannt schloss Gernot Marks die Augen. Es ging los. Sein neues Leben. Es ging mit Volldampf los. Wo würde ihn dieser Traumvogel hinbringen? Hawaii? Die Seychellen? Dubai? Selbst die Hölle wäre ihm recht gewesen, wenn unter der Pforte sie stehen würde: Anna-Sophia Barlow. Die Frau seiner Träume. Seine Frau! Seine! Ganz allein!
Das Messer glitt durch das zarte braune Fleisch wie durch erwärmte Butter. Das Lächeln um den Mund der Frau war sinnlich und hätte unter anderen Voraussetzungen wohl die Fantasie zahlreicher Männer zu wilden Spekulationen animiert. Mit der Akkuratesse einer geübten Köchin schnitt sie vier hauchdünne Scheiben vom Fleisch des Thunfischfilets, welche sie mit vier Esslöffeln Vinaigrette marinierte. Das restliche Fleisch würfelte sie mit fast nicht sichtbaren Bewegungen mit mathematischer Genauigkeit. Das Kochen und besonders das Eindecken und Dekorieren prächtiger Festtagstafeln sowie das generöse Bewirten der Gäste war einst ihr Lieblingshobby gewesen. Die Einladungen zum Dinner bei der Barlow waren legendär, selbst Staatsoberhäupter hatten schon in dem stilvollen Ambiente des alten Schlosses gespeist.
Gefürchtet war ihr Regiment in der Küche: Sogar hochdekorierte Sterneköche hatten entnervt den Kochlöffel fallen lassen und kampflos das Feld für sie geräumt. Besonders beim Beurteilen der gelieferten Köstlichkeiten war sie gnadenlos, duldete nicht den geringsten Mangel. Es war schon vorgekommen, dass ein eigens aus Westkanada eingeflogener Lobster schnöde abgewiesen wurde oder ein Lieferant mit vollem Kühlbehälter 1200 km umsonst durch die Nacht gerast war.
Dieses Mal stimmte alles. Sie genoss die Ruhe und die professionelle Ausstattung ihrer Küche. Alles
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