Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)
aufgestellt worden. Die Zimmerleute wunderten sich zwar, dass es der exzentrischen Schlossherrin mitten im Winter einfiel, in ihrem Garten einen Kinderspielplatz einzurichten, aber das war ihnen letztendlich gleichgültig. Die Bezahlung war sehr ordentlich und um diese Jahreszeit war jeder Zimmerer froh um einen Auftrag.
Anna-Sophias Blick blieb an den beiden Masten hängen. Sie wirkten unheimlich. Irgendwie bedrohlich. Wie Galgen … Sie lächelte und überprüfte ihr Erscheinungsbild in einem der großen Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. Perfekt. Er würde sabbern vor Freude.
Es war kurz vor 16 Uhr als der schwere Geländewagen um die letzte Kurve rollte. Gernot Marks hielt kurz den Atem an. Da war es: Hinter der hohen Natursteinmauer und dem riesigen schmiedeeisernen Tor lag der breit angelegte, zweistöckige Bau des alten Schlosses mit seinem schneebedeckten Schieferdach, den Erkern, Türmchen und der etwas zu groß geratenen imposanten Freitreppe. Keine Autos auf dem seitlich gelegenen Gästeparkplatz, keine Spuren im Schnee vor der Treppe. Sein Herz machte einen Sprung. Keine Gäste. Nur er und …
Das Tor schwang wie von Geisterhand auf, Janosz steuerte den Hummer die Auffahrt hinauf. Einer der mächtigen, mit Schnitzereien verzierten Flügel der Eingangstür öffnete sich und SIE trat heraus. Marks registrierte weder das Anhalten des Wagens noch bemerkte er, dass Janosz ihm die Tür aufhielt und ihn erwartungsvoll anschaute. Gernot Marks sah nur SIE: Trotz der eisigen Kälte und des schneidenden Windes, der bereits wieder erste feine Schneeflocken mit sich trug, umhüllte sie nur ein dünnes Kleidchen, dass ihr noch nicht einmal bis zum Knie reichte. Eine Strähne ihrer kunstvollen Hochsteckfrisur hatte sich gelöst und wehte keck im Wind. Weder schien sie die Kälte zu spüren, noch schlang sie die Arme umeinander. Sie stand lächelnd auf den kalten Steinen und Marks schien es, als weiche Eis und Schnee vor ihr zurück, als umspiele sie eine unsichtbare Hülle von Wärme und Energie.
Endlich fand er die Kraft, aus dem hochbeinigen Gefährt zu klettern. Marius reichte ihm sein Gepäck und kaum hatte Marks die ersten Schritte in Richtung Treppe genommen, rollte der Hummer mit grummelndem Achtzylinder in Richtung Tor. Sie waren allein …
Alleine in einem Märchenschloss. Er und die schönste aller guten Feen, die herrlichste aller Königinnen, die leidenschaftlichste aller Zauberinnen. Wie betrunken tappte er die Stufen hinauf, der Koffer stand vergessen im Schneetreiben. Wie gebannt hing sein Blick an dieser Erscheinung da oben vor dem offenen Tor, hinter dem warmer Lichtschein Behaglichkeit und Geborgenheit signalisierte. Keine kalten Fliesen mehr, keine nach Urin und Desinfektionsmitteln stinkenden Waschräume, kein Gebrüll, kein Schlüsselklirren, kein zerkochter Wirsing. Nie mehr.
„Gut siehst du aus“, ihre vollen Lippen waren nur Zentimeter von den seinen entfernt. Ihre Augen blitzten und schienen ihn aufsaugen zu wollen. Ihre Nasenflügel bebten. Ihr Duft machte ihn rasend vor Verlangen. Ihr Körper verströmte eine ungeheure Hitze, er presste sich an sie wie ein kleines Kind an seine lange vermisste Mutter. Er spürte ihren starken Körper, ihre Brüste, ihre muskulösen Beine. Ihre Lippen fanden sich, ihre Zungen spielten miteinander, er schmeckte sie, atmete sie, fühlte sie. Er war am Ziel. Er war bei IHR. Für immer und ewig. Es schneite stärker. Der Wind hatte zugenommen. Dicke Flocken vermischten sich mit den Tränen, die ihm über die geröteten Wangen liefen. Es war ihm egal. Niemals wieder würde er diese Frau loslassen.
Nach fast zehn Minuten befreite sie sich liebevoll energisch aus seiner Umarmung, hob die Tasche auf und lachte ihn mit erhitztem Gesicht und verschmierter Wimperntusche an: „Bringen wir erst einmal das Gepäck ins Schlafzimmer“.
Klickend schloss sich das Tor hinter ihnen. Leise Musik spielte im Hintergrund. Der Duft von Kaminfeuer durchzog die große Eingangshalle. Überall brannten Kerzen in den zahllosen Leuchtern. Sie ging vor ihm her die Treppe hinauf und er begann zu schwitzen. Das Seidenkleid enthüllte mehr als es verbarg. Beinahe wäre er auf sie geprallt, als sie vor der Tür zum Ostschlafzimmer stehen blieb. Das Sonnenzimmer. Wo sich im Sommer die Vorhänge bauschten, und der Blick durch die offenen Fenster über Berge und Wälder wanderte, während die Strahlen der Morgensonne den Flaum auf ihrem Körper zu goldenem Leuchten erweckte.
Ein
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