Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)
saß in dem überteuerten Bistro im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens und klickte sich durch die Bilder, die er mit seiner hochauflösenden Digitalkamera gemacht hatte. Er grinste selbstzufrieden. Sie hatten sich wirklich angestrengt. Hatten sich alle Mühe gegeben, etwaige Verfolger abzuschütteln. Ihn konnten sie nicht abschütteln. Er war schon da gewesen, als die schwere Limousine draußen angehalten hatte und die beiden vierschrötigen Pollacken die Zielperson in Empfang genommen hatten. Er war der Igel. Der Hase konnte machen, was er wollte, er hatte gegen ihn nicht die geringste Chance.
Er war ein schlauer Igel. Ein Igel mit Verbindungen. Der Anruf kam gestern Abend kurz vor neun. Gerd Vendorff von der Abteilung Justiztransport hatte ihm gesteckt, wen er da in seinem grünen Bus nach Bruchsal kutschiert hatte. Würde er ihm doch die Handynummer seiner kleinen Schwester geben müssen. Egal, sie war alt genug.
Die Fahrt der Limousine nach Frankfurt hatte sein „Assistent“ Hassan observiert und er selbst musste lediglich von seinem Wohnort Neu-Isenburg an den Flughafen fahren.
Den Flugplan der Privatmaschine hatte er gleich im Sack. Beige Hosen, ein beiger Rolli und eine schwarze Lederjacke, wie sie Polizisten trugen, sowie die laminierte Farbkopie eines Dienstausweises der hessischen Polizei wirkten manchmal Wunder.
Martinique, sagte die korpulente Rote hinter dem Counter der General Aviation. Blödes Augenklimpern und viel zu viele, viel zu weiße Zähne hinter aufgespritzten Lippen verhießen willige Bereitschaft. Schade. Chris Hamilton, der Starreporter hatte keine Zeit und noch weniger Lust auf wabbelige Schenkel und aufgepolsterte Brüste.
Martinique. Ein ideales Ziel für Flitterwöchner. Vielleicht ließ ihn der schwule Ressortleiter sogar hinterherjetten. Schließlich hatte er die versammelte Elite der bundesdeutschen Journaille ganz schön dumm dastehen lassen.
Bebend vor Erwartung kritzelte er in sein Notizbuch. Dann zückte er sein Handy und tippte eine Kurzwahlnummer. Der arrogante Redakteur würde ihm aus der Hand fressen.
Zur gleichen Zeit übergab die Frau am General-Aviation-Counter ihre Schicht und zerknüllte den Zettel mit den Anweisungen, die ihr der freundliche Pole über den Tresen geschoben hatte. Zusammen mit einem Hunderteuroschein. Klasse. Der konnte öfter kommen. Nichts wie ab in die Ladenzeile des Terminals. Ihr Tag war gerettet.
Sie war fertig. Alles, was vorzubereiten war, war getan. Das Menü servierbereit. Die Weine wohltemperiert. Sie hatte sich umgezogen, trug ein hautenges Etuikleid von Chanel, Pumps mit schwindelerregenden Absätzen, die ihre Größe noch betonten, ein fast ordinär schweres Parfum und sonst nichts. Die Formen ihres Körpers zeichneten sich überdeutlich unter der Naturseide ab. Ein Körper, der sein biologisches Alter Lügen strafte. Auch nach Beendigung ihrer aktiven Model-Karriere legte sie Wert auf eine makellose Figur. Sie hielt eisern Diät, trieb täglich vier Stunden Sport und war stolz darauf, noch niemals unter dem Messer eines Chirurgen gewesen zu sein.
Sie überprüfte ein letztes Mal die festlich gedeckte Tafel. Alles war an seinem Platz. Die Bestecke schimmerten im warmen Licht der Leuchter, die Servietten waren aufwendig gefaltet, die Gläser auf Hochglanz poliert. Auf der Anrichte zischten leise die Brenner der Rechauds. Dezenter Blumenschmuck rundete das Ganze ab. Es war ihr eine Freude gewesen. Alles auf diesem Tisch war durch ihre Hände gegangen. Alles atmete ihren Stil, ihre Persönlichkeit. Alles für ihn. Die Hauptperson des Abends. Sie konnte es kaum erwarten, ihn zu begrüßen. Ein Festessen. Vom Feinsten aber doch leicht und bekömmlich. Schließlich war das Essen nur der Auftakt für einen unvergesslichen Abend und eine ebensolche Nacht.
Draußen vor den hohen Fenstern des Salons begann bereits die frühe Winterdämmerung. Es war den ganzen Tag nicht richtig hell geworden. Bleigrau spannte sich ein schneeschwerer Himmel über die verschneiten Wälder auf den umliegenden Hügeln. Die Balustraden der halbrunden Terrasse trugen dekorative Schneehauben, der Garten mit seinen Putten und geometrisch angelegten Beeten sah aus, wie von einem Konditor aus Eiweiß und Sahne erschaffen. Die beiden massiven Holzpfosten ragten wie Fremdkörper daraus hervor. Sie waren etwas über drei Meter hoch und an ihren oberen Enden war jeweils eine Rolle befestigt, über die ein Seil geführt war. Sie waren erst vor einigen Tagen dort
Weitere Kostenlose Bücher