Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)
Besinnungslosen in den Garten. Gernot Marks war nackt. Trotz aller Anstrengung konnte sie sich ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen, als sie sein beachtliches Glied schlaff und lächerlich zwischen seinen Beinen baumeln sah. Sein Schwanz, auf den er so stolz war. Den sie vor wenigen Minuten noch in voller Größe genossen hatte. Ja, sie hatte es genossen. So wie eine Frau ein gutes Essen genoss, einen erlesenen Wein, einen ergreifenden Film. Ein hübsches, kurzweiliges Spielzeug. Nichts weiter. Stunden voller Ekstase im Wechsel mit den wohligen Schwingungen absoluter Entspannung. Er war ein guter Liebhaber. Einer der wusste, worauf es ankam, der seine Sexualität nicht auf wenige Körperteile reduzierte. Ein Sexgott. Wieder lächelte sie. Nicht seine Hände oder seine Zunge waren es, die ihr zum Höhepunkt verhalfen. Sein Schwanz schon gar nicht, nein. Es war der Gedanke an das, was danach kam. Jede Minute, jede Sekunde ihrer Umarmungen hatte sie nur daran gedacht. Nie war die innerliche Brandung intensiver, die Erlösung eruptiver als in jener Nacht. Ihrer Nacht. Der Nacht der Skorpionin.
Sie war bereit für den nächsten Akt. Sie würde mit diesem Mann etwas tun, dass ihr bereits jetzt wieder Schauer der Erregung über den Rücken jagte. Etwas, bei dem sie die absolute, die totale Befriedigung erreichen würde. Etwas, das sie mit jeder Faser ihres Körpers herbeigesehnt hatte. Seit vielen Jahren. Der leidenschaftliche Sex vorhin war nur die Ouvertüre gewesen. Ein Ritual. Nichts weiter. Hilfsmittel zu ihrer persönlichen Befriedigung und die richtige Einstimmung auf den wahren Höhepunkt.
Sie würde ihn töten.
Stephan Glimm schaute auf die Uhr im Armaturenbrett des Jaguars. 18:40 Uhr. Er würde pünktlich sein. Es war eine eisige Winternacht und es roch nach Schnee. Die Schnellstraße war geräumt und gestreut, es herrschte nur mäßiger Verkehr. Der Anwalt war unterwegs zu einer Hochzeitsfeier. Einer Feier, an deren Zustandekommen er maßgeblich mitgewirkt hatte. Wenn auch widerwillig.
Eine merkwürdige Frau, diese Barlow. Ihre Stimme klang heiser, als sie ihn vergangene Woche zu einem kleinen intimen Fest einlud. Sie hörte sich an, als lächle sie bei jedem Wort. Ein verheißungsvolles, vielversprechendes, absolut jugendgefährdendes Lächeln.
Glimm lachte leise und drehte die Musik lauter. Il Divo, „Nights in white satin”. Die großartigen Stimmen der vier Tenöre erfüllten den Innenraum des Wagens.
„Hallo, Stephan, das Weib ist frisch verheiratet!“, rief er sich selbst in Erinnerung.
„Die will nichts von dir armem Rechtsverdreher, die steht auf Knackis und Kinderficker!“ Die derben Worte ließen ihn wieder in die Realität zurückkehren. Verrückte Welt, dachte er. Da kutschiere ich in den finstersten Odenwald auf ein altes Schloss, um mit einem verurteilten Kinderschänder und einer der reichsten Frauen der Welt zu tafeln. Sein Blick streifte kurz ein flaches, quadratisches Geschenk, das auf dem Beifahrersitz lag. Was schenkt man so einem Paar?
Glücklicherweise hatte sie ihm bei einem ihrer ersten Besuche in seiner Kanzlei auf die Sprünge geholfen. Sie hatte hingerissen in seiner riesigen Plattensammlung gekramt und nicht schlecht gestaunt, als er auf ihre Frage, ohne hinzusehen, eine längst vergriffene Scheibe von Herbie Hancock präsentiert hatte. Fast ehrfürchtig strichen ihre Hände über das vergilbte, teilweise eingerissene Cover.
Sie musste die Scheibe haben. Er hatte gelacht. Sie würde jeden Preis dafür zahlen. Er schüttelte, immer noch lachend, den Kopf. Jeden! Er winkte ab und wischte sich die Augen. Sie gab auf. Vorerst, wie sie lächelnd betonte. Das Lächeln hatte er sich gemerkt. Es erinnerte ihn fatal an das eines Velociraptors 3 .
Die starken Halogenscheinwerfer an der Fassade des Gebäudes tauchten die unwirkliche Szene in gleißendes Licht. Der Atem der Frau ging stoßweise. Endlich hatte sie den Körper des Mannes in der richtigen Position. Sie richtete sich auf, drückte den Rücken durch und stemmte die Arme in die Hüften. Weiße Atemwolken trieben davon. Die Temperatur war knapp unter null Grad Celsius. Der Himmel war schwarz. Kein Stern war zu sehen. Schnee lag in der Luft wie ein unheilvolles Versprechen.
Die Frau befestigte massive Rohrschellen an Hand- und Fußgelenken des Mannes. Die Schellen hatten Ösen, durch die sie chromglänzende Stahlketten zog. Wieder lächelte sie. Er stand auf Ketten. Ketten und die ganze Palette diverser
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