Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)
Brautpaar“, sagte Glimm, nachdem er eine ganze Meute Frösche in seinem Hals in die Flucht geräuspert hatte und erntete ein helles Lachen.
„Auf uns, Herr Anwalt“, gurrte sie, „Auf uns beide …“
„Wo ist eigentlich Ihr Mann?“
Sie gickelte wie ein Teenager. „Gernot werden wir später sehen. Aber lassen Sie uns in den Salon gehen, das Essen wartet schon.“
Den Kopf voller widersprüchlicher Gedanken, trottete Glimm hinter ihr her wie ein folgsamer Bernhardiner.
Im sanften Licht des gedimmten Kronleuchters und zahlloser Kerzen fiel sein Blick auf eine prächtig gedeckte Tafel. Schimmerndes Porzellan, blitzendes Besteck und auf einer großen Anrichte leise zischende Rechauds, aus denen verführerische Düfte strömten.
„Ich habe mir erlaubt, einen kleinen Imbiss vorzubereiten. Was man eben so schafft, wenn das Personal nicht da ist“, bemerkte sie und Glimm erkannte mit gerunzelter Stirn, dass der riesige Mahagonitisch lediglich für zwei Personen eingedeckt war. Was war hier los? Was sollte das Gerede von einer Hochzeitsparty? Wo waren die Gäste? Das Personal? Wo, zum Teufel, steckte der Bräutigam? Das Arschloch. Den letzten Gedanken verdrängte er rasch wieder, als hätte er Angst, die Barlow könne ihn hören.
„Sie haben selbst gekocht?“ Es klang wohl ein wenig zu überrascht, denn die Stimme der Barlow enthielt eine winzige Prise Chili.
„Wenn es Ihnen nicht schmeckt, lasse ich gerne etwas vom Chinesen kommen.“ Das entwaffnende Lächeln entschärfte die Situation sofort wieder. „Nehmen Sie Platz, wundern Sie sich über nichts und genießen Sie den Abend, lieber Freund. Ich bin sofort wieder da.“
Aber Hallo! Lieber Freund! Bisher hatte sie ihn entweder mit Namen oder leicht spöttisch mit Herr Anwalt angesprochen. Das versprach ja ein interessanter Abend zu werden.
Nach wenigen Augenblicken rauschte sie mit einem Tablett herein und stellte jeweils ein kleines Gedeck an ihre Plätze.
„Voilá, Thunfisch-Tatar auf Guacamole, dazu ein 2005er Dezaley La Medinette. Das wird mich wohl davor bewahren, mich vor einem Weinkenner wie Ihnen zu blamieren.“ Das Lächeln verhieß sämtliche Sinnesfreuden aus 1001 Nacht. Glimm holte tief Luft. Die Barlow hätte ihm Leitungswasser kredenzen können, heute hätte er es noch nicht einmal bemerkt. Verzückt registrierte Glimm das mit Wachteleiern und Paprikawürfeln farbenfroh angerichtete Arrangement. Die Barlow, eine Küchenfee! Wer hätte das gedacht?
„Auf diesen Abend“, das Lächeln der Barlow war rätselhaft wie das der Mona Lisa, als sie ihr Glas erhob. Glimm neigte den Kopf und prostete ihr stumm zu. Es fiel ihm nichts mehr ein. Ihm, dem berühmten Strafverteidiger, fehlten die Worte. Er beschloss zu kapitulieren, verbannte die Grübelei aus seinem Kopf, konzentrierte sich auf den ausgezeichneten Schweizer Wein und harrte der Köstlichkeiten, welche seine Gastgeberin zweifellos noch auftischen würde. Die Batterie kostspieliger Kristallgläser und das Sortiment schimmernden Bestecks verhießen dem Gourmet höchste kulinarische Wonnen. Zum Teufel mit Marks …
Der nachfolgende Gang stand der Vorspeise in nichts nach. Pochiertes Kalbsfilet mit Frühlingsgemüse und Kräutersauce. Begleitet von einem 2004er Pinot Noir, Palliser Estate, für den allein Glimm die Anfahrt durch Eis und Schnee auf sich genommen hätte. Zwischen dem Gemüse lugte grüner und weißer Spargel hervor, der nicht aussah, als käme er aus einer Konservendose. Auf seine Frage neigte die Barlow anerkennend den Kopf und erwähnte beiläufig, dass die für die Jahreszeit ungewöhnliche Delikatesse im klimatisierten Food-Container an Bord eines FedEx-Frachters in der vergangenen Nacht auf dem Frankfurter Flughafen gelandet war.
„Aus Neuseeland, genau wie der Wein, aber der lagert schon etwas länger in meinem Keller“, Anna-Sophia Barlow genoss sein kaum verhohlenes Staunen. Die Frau war ein Snob. Absolut! Gab es eigentlich ein weibliches Pendant zu Snob? Egal, der Abend begann gerade so richtig Spaß zu machen. Was kam wohl als Nächstes?
Ein Täubchen kam. Auf Blattspinat mit Pinienkernen. Ein Augenschmaus in Altrosa und Grün. Mit den eleganten Bewegungen einer geübten Sommelière kredenzte die Gastgeberin dazu einen 2002er Generation Dix-Neuf Sancerre rouge aus dem Tal der Loire. Glimm schmolz dahin. Sollte dies das Letzte sein, was er in diesem Leben genoss, so wäre es ihm auch egal. Satt und leicht betüdelt würde er lachend zur Hölle fahren.
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