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Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Titel: Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Krämer
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Dorthin, wo die alten Kumpels waren.
    Zwischenzeitlich hatte die Barlow ihr Geschenk ausgepackt und die schwarze Scheibe auf den massiven Teller eines Plattenspielers gelegt, der aussah, als bekäme man dafür schon einen ordentlichen Mittelklassewagen. Keine digitale Technik war in der Lage, die Körperlichkeit von Hancocks Musik gemeinsam mit dem leisen Knistern zu imitieren, das die schwarze Scheibe ungefiltert von sich gab. Das Wahre, Echte in Reinkultur. Man schwelgte. Das Essen, der Wein, die Musik. Vergessen der eigentliche Anlass, die dubiose Hochzeitsfeier. Vergessen die Welt weit jenseits dieses Kokons aus massivem Stein, belebt vom warmen Licht der Kerzen und der duftenden Wärme gut abgelagerten Buchenholzes. Ein Paradies.
    Glimm und Anna-Sophia Barlow ergingen sich in Fachsimpeleien über Jazz, Mode und Wein und vergaßen darüber beinahe die Zeit. Mit gespieltem Erschrecken erhob sie sich und eilte zur Anrichte, um den nächsten Gang zu servieren.
    Der Anwalt lockerte seine Fliege und öffnete den oberen Knopf seines Hemdes. Offen brachen sich nun seine Gefühle für diese erstaunliche Frau ihre Bahn. Er begehrte sie. Schon seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Sie war die Frau, die er schon sein ganzes Leben lang gesucht hatte. Diese obskure Hochzeitsgeschichte würde sich wohl irgendwann aufklären. Im Augenblick interessierte ihn das nicht besonders. Träge vom Essen und beschwingt vom Wein, konnte er es kaum erwarten, dass sie wieder zurückkam.
    Neuer Gang, neuer Wein. Die köstlich duftende Feigen-Ziegenkäse-Tarte wurde von einem 2001er Sauvignon blanc aus Kalifornien begleitet. Das Etikett zeigte einen mexikanisch anmutenden Torbogen mit einer Glocke und in rebenartig verschlungenen Lettern „Anna’s Vineyard, Oakville“.
    Die Barlow bemerkte den interessierten Blick ihres Gastes und erklärte mit kaum verhohlenem Stolz: „Der Ziegenkäse und der Wein sind Eigenproduktionen. Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen später die Aufzeichnung einer Fernsehdokumentation. Der örtliche Sender CalNBC hat anlässlich der Prämierung einiger meiner Weine eine halbstündige Sendung über Anna’s Vineyard produziert. Der Ziege dürfen Sie natürlich auch den Bart kraulen, wenn Sie möchten.“
    Ihr Lächeln hatte auf einmal wieder diesen diabolischen Touch, aber das konnte auch an seinem mittlerweile etwas eingeschränkten Urteilsvermögen liegen. Tarte und Wein ließen erwartungsgemäß keine Wünsche offen und verwöhnten Zunge und Gaumen.
    Nachdem sie fast eine halbe Stunde lang über das Weingut der Barlow gesprochen hatten, entschuldigte sich die Gastgeberin, da sie das Dessert noch anrichten müsse. Glimm nutzte die Pause, erhob sich und streckte seinen massigen Körper. Neugierig trat er zu einer fast schwarz nachgedunkelten Kredenz aus der Zeit Kaiser Wilhelms II. Die Oberfläche wurde von einer seidenen Decke geschützt, auf der Rauchutensilien verteilt waren. Unter anderem ein schweres silbernes Feuerzeug und ein dazu passendes Zigarettenetui. Eine fein gearbeitete flache Kiste aus poliertem Holz zog seine Aufmerksamkeit auf sich.
    „Schau an, schau an …“, murmelte er und klappte mit spitzen Fingern den Deckel hoch. Er schnalzte mit der Zunge, als er die Reihen perfekt gerollter Cohibas erblickte. Esplendidas in kapitalem Churchill-Maß von 17,8 Zentimetern Er konnte nicht anders. Er musste diese Straftat jetzt einfach begehen. Zwei der fast dreißig Euro teuren Torpedos versanken in der Innentasche seines Smokings, eine behielt er zwischen den Fingern und roch mit geschlossenen Augen daran.
    Voller Vorfreude zog er den Vorhang vor der Terrassentür zur Seite, zwinkerte seinem Spiegelbild in den dunklen Glasscheiben zu und öffnete den rechten Flügel. Eisige Nachtluft strömte herein und nahm ihm für einen Moment fast den Atem. Rasch trat er hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Er ging bis zur Balustrade aus Sandstein, nahm einige tiefe Atemzüge um den Schwindel zu verscheuchen, der ihn leicht schwanken ließ. Dann biss er die Spitze der Zigarre ab, ein Verfahren, das auf Cuba durchaus üblich war und das affektierte Ritual mit Taschenguillotinen der europäischen Raucher verhöhnte. Sorgfältig entzündete er das Ende, drehte die Zigarre in der Flamme und blies anschließend in die Glut, um einen gleichmäßigen Abbrand zu entfachen. Er nahm den ersten Zug, badete Zunge und Gaumen in aromatischem Rauch und blies ihn fast wehmütig in die Nacht.
    Es schneite nicht mehr. Vereinzelt

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