Skulduggery Pleasant 6 - Passage der Totenbeschwörer
sicher ...«
»Du musst es wissen. Du musst. Du weißt immer, was du tust. Du weißt immer, warum du etwas tust. Deshalb kannst du auch die ganze Zeit recht haben. Daraus ziehst du dein ganzes Selbstbewusstsein, aus der Tatsache, dass du immer diejenige bist, die recht hat. Also, warum hast du es getan?«
»Ich weiß es nicht.«
»Du lügst. Du weißt genau, warum du es getan hast.« »Fletcher, es spielt keine Rolle.«
Er lachte hässlich. »Für dich vielleicht nicht, Wally. Aber für mich umso mehr. Macht es dir überhaupt etwas aus? Klar, ich weiß, dass du weinst, ich sehe deine Tränen, aber du weinst sie nicht um mich. Du weinst, weil du dich mies fühlst. Bei den Tränen geht es um dich, weil es bei allem nur um dich geht. Immer. Die Welt dreht sich um dich, weil du so ungemein selbstsüchtig bist.«
»Ich wollte dir nicht wehtun.«
»Ich glaube, es ist dir überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass es mir wehtun könnte. Daran hast du überhaupt nicht gedacht. Du bist besessen von dir selbst, weißt du das? Das war schon immer so, aber das war okay für mich, weil ich genauso besessen von dir war. Ganz schön blöd von mir, was? Denn zack, einfach so bin ich abserviert. Jetzt sehe ich das Ganze, wie es ist. Du hast noch nie etwas für jemand anderes getan. Du hast dich noch nie um etwas bemüht, das nur anderen genützt hätte. Wir anderen schon. Das macht uns zu guten Menschen. Aber du? Du hast die Welt gerettet, doch ein guter Mensch bist du deshalb noch lange nicht. Ich weiß nicht, was du bist.«
»Fletch, bitte -«
»Bitte, was? Bitte hör auf, mir ein schlechtes Gewissen zu machen? Oh, wow, tut mir leid. Tut mir schrecklich leid. Mir war nicht bewusst, dass ich dir den Tag verdorben habe. Vielleicht solltest du zu Caelan gehen ... vielleicht kann er dich trösten.«
Walküre schüttelte den Kopf. »So ist es nicht.«
»Ach, dann schickst du mich nicht wegen ihm zum Teufel?«
»Ich schicke dich wegen niemandem zum Teufel.«
»Weiß er das?«
»Was er weiß oder nicht, ist mir so was von egal.«
»Das überrascht mich nicht.«
»Hör zu, du kannst mich beleidigen, so viel du willst, aber Tatsache ist, dass es sich schon eine ganze Weile abgezeichnet hat.«
»Trotzdem höre ich zum ersten Mal davon.«
»Natürlich, weil du es nicht hören wolltest.«
»Oh, richtig. Okay. Ich hab's begriffen. Im Grunde hätte ich es kommen sehen müssen, ja? Ich hätte die Zeichen erkennen und merken müssen, worauf alles hinausläuft?«
»Ja.«
»Dann ist also genau genommen alles meine Schuld.« Walküre wandte seufzend den Blick ab.
»Was völlig logisch ist«, fuhr er fort, »da du ja nichts falsch machen kannst. Da du deshalb auch nie selbstsüchtig oder egozentrisch sein kannst, muss die Schuld immer bei jemand anders liegen. Ich bin wirklich blöd, Walküre, und ich entschuldige mich dafür.«
»Sei doch nicht so.«
»Sei doch nicht wie?«
»So verdammt kindisch. Hör auf zu schmollen. Hör auf, dir selbst leid zu tun. Deine Freundin hat Schluss mit dir gemacht. Ja, und? Das passiert jeden Tag. Werd endlich erwachsen!«
»So wie du, meinst du. Weil du so erwachsen bist, weil du mit allem so gut fertig wirst und für alles und jeden die Verantwortung übernimmst. Das bist du, ja? Die kleine Miss Perfect?«
»Ich hab nie behauptet, ich sei perfekt.«
»Aber du bist davon überzeugt. Und wie!«
»Mach dich nicht lächerlich.«
»Warum solltest du dich nicht für perfekt halten? Habe ich nicht die letzten beiden Jahre damit zugebracht, dir zu sagen, wie schön du bist, wie klug, wie außergewöhnlich? Hat Skulduggery dir nicht ständig erzählt, wie großartig du bist, wie mächtig, wie toll? Die Leute sind sofort beeindruckt von dir, weil du so selbstbewusst und tüchtig bist. Dir gelingt alles, was du dir vornimmst. Du wirst über Nacht vom Schulmädchen zur Zauberin. Du stammst von einem der letzten Urväter ab. Die Totenbeschwörer lernen dich kennen und sofort fassen sie dich als ihren unwahrscheinlich mächtigen Retter ins Auge. Bei all den Leuten, die sich deinetwegen überschlagen, wundert es mich wirklich, dass du es so lange mit einem Niemand wie mir ausgehalten hast.«
»Das«, erwiderte sie ärgerlich, »wundert mich im Moment auch.«
In Fletchers Augen standen Tränen, doch er weinte nicht. »Falls du erwartest, dass ich jetzt wegteleportiere, kannst du das vergessen. Du hast Schluss gemacht, also gehst du auch als Erste. Los, Walküre, geh.«
Es entstand ein Schweigen und
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