Slant
Gespräche, kein Husten oder Stöhnen. Chloe ist ebenfalls still. Sie hat gefrühstückt und starrt nun mit grimmiger Entschlossenheit ins Leere.
Ihr Körper ist mit einem neuen Satz Monitoren aufgefüllt worden, die von außen gesteuert werden, statt autark zu arbeiten. Man sucht noch nach einer Erklärung für ihren Zustand. Der Empfänger für die Sonden hängt an einer schmalen Schiene an der Decke und von dort führt ein dünnes Kabel zu einem silbrigen Punkt hinter ihrem linken Ohr. Es ist ein Medo-Plug, wie er erkennt. Darüber könnte sie auch mit beruhigenden Impulsen gefüttert werden. Selbst mit geöffneten Augen könnte sie schlafen.
Er hat beinahe Angst vor der Möglichkeit, dass sie tatsächlich wach sein könnte. In ihr Zimmer zu gehen ist fast so, als würde er vor einen Richter treten. Er hat’ schon immer sehr empfindlich auf Kritik reagiert, insbesondere, wenn sie von Chloe kam; er hat sich stets äußerste Mühe gegeben, nichts zu tun, was ihren Ärger erregen könnte.
Sie scheint ihn nicht zu sehen.
»Hallo«, sagt er leise. »Wie geht es dir?«
»Beschissen«, erwidert sie. Ihr Gesicht spannt sich an und Falten bilden sich an ihren nach unten gezogenen Mundwinkeln. Plötzlich wirkt sie viel älter. Sie sieht aus wie die typische Schurkin in einem alten Disney-Vid, abgehärmt, geschlechtslos, verbittert und zornig.
»Ich habe mit der Ärztin gesprochen. Sie weiß nicht genau, was geschehen ist.«
»So?«, gibt Chloe tonlos zurück.
»Niemand weiß es. Wie es scheint, leiden viele andere unter denselben Symptomen.«
»Gut, Jonathan. Dann musst du dir ja keinerlei Vorwürfe machen.«
Jonathan hat langsam und vorsichtig das Zimmer durchschritten und nun bleibt er einen Meter neben Chloes Bett stehen. Es geht ihr nicht gut, sagt er sich. Die Nachwirkungen ihres Zusammenbruchs dürften noch nicht abgeklungen sein. Er muss vermeiden, sich von ihrem Ungleichgewicht beeinflussen zu lassen.
»Viele Menschen sind plötzlich krank geworden«, sagt Jonathan mit heiserer Stimme. »Niemand weiß, warum.«
»Ich fühle mich kerngesund. Es ist meine Seele, die unter den Schmerzen der Fußtritte leidet.«
»Ich weiß, dass es weh tut«, sagt Jonathan, beinahe flüsternd. Er will den letzten Schritt gehen, um direkt an ihrem Bett zu sein, doch dann ruckt ihr Kopf herum, und sie starrt ihn mit den glasigen Augen und dem hölzernen Ausdruck einer Puppe an. »Scheißkerl«, sagt sie tonlos.
Jonathan hält inne. Seine Zunge scheint aufzuquellen und die gesamte Mundhöhle wie ein trockenes Stück Gummi auszufüllen. Seine Augen schließen sich bis auf schmale Schlitze, und er kann Chloe durch den flirrenden Tränenfilm kaum noch sehen.
»Seit Hiram auf die Welt kam, hast du mich gedrängt. Jetzt habe ich es satt.«
Darauf kann er nichts erwidern. Er versucht sich einzureden, dass es ihr nicht gut geht, dass die Frau, die er liebt und die seine Kinder geboren hat, neben der er fast achttausendmal geschlafen und mit der er mindestens zweitausendmal geschlafen hat, niemals solche Worte und eine solche Stimme benutzen würde. Chloe ist zu einer anderen Person geworden, die bald wieder verschwinden wird.
»Was ist los?«, fragt sie und bricht damit das Schweigen, das eine halbe Minute oder länger angedauert hat. »Warum bist du hier?«
»Ich hoffe, es geht dir bald wieder besser.« Jonathan blickt sich um, sucht nach einem Knopf, den er drücken kann, nach einer Kordel, an der ziehen kann, um menschliche Hilfe zu rufen, um es sich zu ersparen, noch etwas sagen zu müssen, aber die Worte sprudeln aus ihm hervor. Im Zimmer ist es heiß. »Du hattest eine Therapie, nachdem wir uns kennen lernten, aber du hast mir nichts davon gesagt.«
»Warum hätte ich es tun sollen?«, fragt Chloe.
»Warum hast du dich therapieren lassen?«
»Weil ich das ständige Bedürfnis nach Männern hatte, nach vielen Männern, und weil sie mir ständig weh getan haben«, sagt Chloe. »Ein Übermaß an Begierde. Warum sollte ich jemals wieder Begierde verspüren?«
Er entdeckt einen Stuhl und setzt sich, bevor seine Knie sich endgültig in Gummi verwandeln. Am liebsten würde er unverzüglich gehen und sie der Obhut der Profis überlassen; doch gleichzeitig fühlt er sich schuldig, dass er jemals etwas von einer Mutter erwartet hat, der Mutter seiner Kinder, und er weiß, dass er diese harte Bestrafung verdient hat.
Aber das hat nichts mit ihrem Gespräch zu tun. »Es hat dir niemals Spaß gemacht, die Kontrolle zu
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