Slant
verlieren.«
»Du siehst doch, wozu es geführt hat.« Sie deutet auf das Bett, die Vorhänge.
»Ich habe immer gedacht, wir wären Partner, wir könnten völlig offen miteinander sein… Ich wusste nicht, dass ich dir damit weh getan habe.«
Sie schaut ihn mitleidig an und für Jonathan enthält dieser Blick all die missbilligenden Blicke, die Frauen ihm jemals zugeworfen haben, vom enttäuschten Zorn seiner Mutter bis zu einer Freundin, die ihm gesagt hat, er sei nichts für sie. Wut und Verachtung.
Jonathan rückt mit dem Stuhl näher heran. Sie rührt sich auf dem Bett.
»Bitte hör mir zu«, sagt er. »Ich werde bald gehen. Hiram und Penelope möchten dich sehen.«
»Oh, mein Gott! Hiram… Er hat gesehen, was du mit mir getan hast.«
»Bitte«, sagt Jonathan und muss sich mit aller Kraft zusammennehmen. »Hör zu, Chloe. Es ist wichtig. Was du jetzt empfindest, ist nicht real. Du hattest einen thymischen Kollaps. Deine gesamte Therapie wurde auf einen Schlag hinfällig. Ich glaube nicht, dass ich die Verantwortung dafür trage, aber wenn es meine Schuld ist, können wir erst dann Entscheidungen treffen, wenn du aus der Klinik entlassen wurdest. Nicht jetzt. Jetzt brauchst du Zeit, um dich auszuruhen und zu erholen, während die Ärzte dich wieder in Ordnung bringen.
Man hat mir gesagt, dass es nicht länger als eine Woche dauern dürfte, aber… zur Zeit ist die Klinik recht voll. Es könnte noch einige Tage dauern, bis die Experten Zeit finden, sich um dich zu kümmern. Und ich will nur das Beste für dich. Notfalls hole ich dich hier heraus und suche auf eigene Faust einen Spezialisten. Den besten.« Er schluckt und versucht, Speichel zu produzieren, um seine Zunge zu befeuchten, aber alles ist trocken. »Ich werde nicht wiederkommen, wenn du mich nicht sehen willst… bis es dir wieder besser geht.«
»Ich bin aufgewacht, das ist alles.«
Jonathan holt tief Luft. Er mag sich intellektuell der Situation bewusst sein, dass er wegen dieser Worte keinen Zorn verspüren sollte, weil sie nicht von der Frau stammen, die in Wirklichkeit seine Ehefrau ist. Aber er muss einfach an eine mit Salz bestreute Schnecke denken. Einen Regenwurm, der in der sommerlichen Sonne austrocknet. Keine Liebe, kein Sex, von allen irdischen Freuden abgeschnitten; er ist ein toter Mann.
Sie schließt die Augen. »Ich muss mich ausruhen«, sagt sie.
Er steht auf und teilt den Vorhang. Als er im Gang dahinter auf die zurückfallenden Falten des blauen Stoffs unter dem sanften Licht von der hohen Decke zurückblickt, kann er nicht mehr atmen. Er steht da und gibt schwache Erstickungslaute von sich, bis er sich räuspern muss und seine Augen sich mit Tränen füllen. Er klingt wie ein Hund mit zerschnittenen Stimmbändern. Gott sei Dank sieht ihn niemand, bis er sich die Augen gerieben hat und sein Erstickungsanfall vorbei ist.
Im Besucherzimmer sitzen Hiram und Penelope bleich und ernst mit zwischen den Knien verschränkten Händen da, als würden sie für ein Foto posieren. Hiram blickt zu Jonathan auf.
»Es geht ihr nicht besonders gut. Sie… hat einige bittere Dinge gesagt«, teilt Jonathan ihnen mit.
Seine Kinder betrachten ihn mit dem Ausdruck völligen Unverständnisses. Vielleicht meinen sie es nur gut mit ihm.
»Ich möchte sie gerne sehen«, sagt Penelope. »Wir müssen mit ihr reden.«
»Sie muss sich jetzt ausruhen.«
»Wir werden warten, Vater«, sagt Penelope und wendet den Blick ab.
Jonathan nickt. »Ich muss jetzt gehen. Ich komme später zurück.«
»Gut«, sagt Penelope.
Hiram weigert sich, ihn anzusehen.
Jonathan gibt beiden einen Kuss auf die Stirn und geht. Das Klinikgebäude wirkt luftlos und hermetisch.
An der freien Luft, unter den strahlenden Wolken und blauen Himmelsausschnitten fühlt er sich nicht besser. Jonathan fordert einen Autobus an und wartet an der überdachten Haltestelle. Seine Muskeln sind steif und schmerzen. Er muss sich vorsichtig bewegen, wenn er geht. Er fühlt sich nackt und hilflos.
Wenn er seine geistige Gesundheit bewahren will, muss er sich einen sicheren Weg zwischen hoch und dicht wachsenden Brennnesseln suchen.
PARADISO
SPIELER: 25.600
ZIELE: Gonzo, SPIELDEFINIERT
STATUS: Sie befinden sich zur Zeit in Raum 2. Ihr Avatar/Gesicht ist MASKE 1. AUFZEICHNUNG.
BEGLEITER: Name und Status unbekannt. Ebenfalls maskiert.
SIE SELBST: Ich wünsche mir, ich könnte es dir irgendwie erklären… die Empfindung des vollkommenen Friedens, des Dazugehörens, des
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