Slant
jahrelangen Erfahrung mit menschlichen Kollegen.
»Wir benötigen unbedingt irgendeine Beurteilung von dir, was es mit diesem Material auf sich hat, Jill… und zwar so schnell wie möglich«, sagt Nathan.
»Ich kann den Umfang einschätzen, den der vollständige Datensatz haben dürfte, aber mehr nicht«, sagt Jill.
»Wir können nicht länger als einige Tage abwarten, wenn Jill Recht hat«, wirft Sanmin ein.
»Wir haben INDA-Monitoren auf Jills sämtliche I/Os angesetzt«, fügt Nathan hinzu. Aber nicht alle ihrer I/Os werden bewacht. Jill hat sie bislang täuschen können und hofft, dass es dabei bleibt.
Mit einer Mischung aus Schrecken, intensiver Neugier und Furcht empfängt sie eine kurze Botschaft von einem isolierten Ich, das an jenem I/O stationiert ist, den sie vor Nathan und den anderen geheim gehalten hat. Das isolierte Bewusstsein meldet, dass Roddy erneut Daten sendet, mehrere Dutzend Terabyte, zur Ergänzung der bereits empfangenen holografischen Daten.
Jill informiert weder Nathan noch die Anwälte. Sie möchte sich selbst nicht ins falsche Licht rücken. Und falls das Material unbrauchbar ist – falls es nicht zum holografischen Satz passt oder in keinerlei Beziehung zum bisherigen Material steht –, will Jill diesen I/O mithilfe ihrer eigenen Arbeiter schließen.
Die drei Menschen gehen in einen anderen Raum, um ihre Diskussion fortzusetzen. Dieser Raum ist Jill nicht zugänglich. Allerdings gibt es dort einen Arbeiter, der ständig seine Umgebung aufzeichnet. Vielleicht kann Jill ihn später dazu überreden, ihr die Diskussion vorzuspielen.
Sie vermutet, dass die Anwälte ihr nicht vertrauen. Wenn sie sich in ihre Lage versetzt, ist es tatsächlich eine naheliegende Hypothese, dass sie Roddy nur erfunden hat, als eine Art imaginären Spielgefährten.
Die Existenz und der Charakter Roddy erscheinen selbst Jill unwahrscheinlich.
Die Situation wird für alle Beteiligten immer unangenehmer.
GROSSER ABSTROM
Das Kino starb aus. Vids hatten sich zu einem bunten Strauß interaktiver Zweige weiterentwickelt, die direkt ins Heim eingespeist wurden: Datenfluss nach Ihrem Geschmack, Figuren und Geschichten, wie es Ihnen gefällt, Gemeinschaftsunterhaltung, in der sich »Nachbarn« aus aller Welt elektronisch einschalten konnten, um gemeinsam neue Welten zu erkunden… Und dann kam Yox, all dies und noch viel mehr, durch spinale Induktoren und einverleibte mikroskopische Monitorroboter direkt ins Bewusstsein gepumpt. Die Monitoren suchten sich ihren Weg von den Eingeweiden durchs Blut, um sich an somatischen Nerven festzusetzen, um wie medizinische Diagnoseeinheiten im Gehirn zu sitzen, völlig harmlos (aber welche öffentliche Aufregung anfangs herrschte!) und bereit für den Empfang externer Signale…
Und so viel Vid und Yox ließ sich mit verhältnismäßig kostengünstiger Ausrüstung in den eigenen vier Wänden herstellen! Mit absoluter Kontrolle über jedes Pixel einer visuellen Darstellung und jedes Bit einer akustischen Wellenkurve und schließlich sogar über jedes extrasensorische Nervenende konnten individuelle Künstler und ihre Boutiquen-Kollegen Visionen heraufbeschwören, die genauso aufregend (und erheblich innovativer) als die der großen Studios waren, um sie direkt über Fibe und Sat zu vermarkten… Und viele davon waren geniale Promotion-Strategen. Sie hatten seit ihrer Kindheit in den Fibes gelebt und geatmet.
Für die großen Studio-Produktionsfirmen läutete die Totenglocke, als sie von neuer Tech vom Markt gefegt wurden, genauso wie das Fernsehen und Kino im Verlauf des vorigen Jahrhunderts den Roman und die Kurzgeschichte verdrängt hatten.
Die großen Unterhaltungsstudios, die in der Vergangenheit Unsummen an Geld umgesetzt hatten, zogen sich in Themenparks zurück, doch selbst der aufregendste Ride oder ein Trip ins All konnten es nicht mit gut gemachtem Yox aufnehmen – das obendrein ohne reale Gefährdungen auskam. Warum sollte man echte Raumschiffe bauen, wenn man mit einem Yox-Schiff von einem Ende der Galaxis zum anderen reisen konnte, so sicher wie ein Baby im Mutterschoß?
Die Öffentlichkeit wollte keine wirklichen Abenteuer. Die gesamte Welt war bereit, sich mit der Unwirklichkeit zufrieden zu geben.
Doch in bemerkenswert weiser Voraussicht hatten die Manager der Studios mit den großen Namen sich einen Markt gesichert, mit dem kein individueller Künstler konkurrieren konnte: das Persönlichkeitslizenzrecht, die Vermarktung der Namen und
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