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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Betreffende mithören kann. »Dr. Burke, sein Name ist Terence Crest. Der Terence Crest. Wir haben ihn überprüft. Er ist wirklich der, der er zu sein behauptet.«
    Heute scheint der Tag zu sein, an dem einflussreiche Leute Kontakt zu Martin aufnehmen. Crest ist Milliardär und ebenso für seine konservativen Ansichten und die Wahrung seiner Privatsphäre wie für seine wirtschaftlichen Aktivitäten bekannt – hauptsächlich in der Rim-Unterhaltungsbrache. Martin trommelt ein Weilchen mit den Fingern und sagt schließlich: »Schicken Sie ihn herein.« Die Anfragen des Tages, die immer noch in scheinbarer Armeslänge über dem Büro-Pad schweben, verschwinden.
    Martin begrüßt Mr. Crest an der Tür und führt ihn zu einem Stuhl. Crest ist Mitte Vierzig, mittelgroß, hat ein nichtssagendes Gesicht und große Augen ohne konzentrierten Blick. Er trägt Dunkelgrau mit dünnen schwarzen Streifen und unter dem langen Mantel ein Hemd aus sonnengelber lebender Faser, die den Körper reinigt und die Gesundheit überwacht. An der rechten Hand hat er drei große Ringe, Zeichen für die Zugehörigkeit zu den höheren Kreisen der Comb-Gesellschaft. Martin kann die Ringmuster nicht dechiffrieren, aber er vermutet starke Tendenzen in Richtung der NeoFöderalisten.
    Crests Kopfhaltung und die Weise, wie das Licht auf seine Haut trifft, erschwert Martin eine Einschätzung seiner Stimmung. Er vermittelt den unheimlichen Eindruck, dass sein Gesicht mit jedem Blick an Detailreichtum verliert.
    »Guten Morgen, Dr. Burke«, sagt Crest. »Es tut mir furchtbar Leid, Sie auf diese Weise zu überfallen, aber mir wurde gesagt, dass ich mich auf Sie verlassen kann.« Seine Artikulation ist knapp und klar. Crest ist es gewohnt, dass man ihm aufmerksam zuhört. Er blickt verträumt zur Decke hinauf und bleibt stehen. Martin fordert ihn auf, sich zu setzen.
    Crest betrachtet den Stuhl, als würde er erwarten, dass er sich von selbst bewegt, bis er schließlich Platz nimmt. »Ich muss immer noch über das nachdenken, was Sie letzte Woche in People’s Therapy gepostet haben. Allostatische Belastungen und so weiter. Dass der Druck des täglichen Lebens uns wie überbeanspruchte Metallstangen verbiegen kann.«
    Martin nickt. »Die allgemeinverständliche Erklärung einer Theorie für ein allgemeines Publikum. Warum beschäftigt Sie diese Idee so sehr?«
    »Ich kann mir die Schande nicht erlauben.«
    »Welche Schande?«
    »Ich glaube, ich befinde mich am Limit meiner Belastbarkeit.« Ein schwaches, säuerliches Lachen. »Ich stehe kurz davor zu zerbrechen.«
    »Unter Stress zu leiden ist keine Schande, Mr. Crest. Wir alle werden zu irgendeinem Zeitpunkt unseres Lebens damit konfrontiert.«
    »Nun, ich habe immer noch mit der Vorstellung meiner Körperlichkeit zu kämpfen. Ich wurde als Baptist erzogen. Und einige meiner… Beziehungen… meiner Freunde… nehmen mir diese Schwäche übel.«
    »Dieses Vorurteil ist weit verbreitet, aber es bleibt ein Vorurteil.«
    »Es ist schwer für mich – und für sie – zu akzeptieren, dass eine Krankheit des Geistes durch etwas anderes bedingt ist als… Sie wissen schon. Einen Defekt der Seele.«
    »So ist es, Mr. Crest. Es hat nichts mit irgendwelchen angeborenen Charakterschwächen zu tun. Jeder von uns kann in derartige Schwierigkeiten geraten.«
    »Dr. Burke, ich kann mir keine Schwierigkeiten erlauben.« Trotz der Unbestimmtheit werden Crests Gesichtszüge härter. »Die Leute in meiner Umgebung würden es nicht zulassen. Meine Frau ist so hochnatürlich, wie es nur geht, genauso wie jeder andere in ihrer Familie. Wissen Sie, ich habe das Gefühl, sie erwarten geradezu, dass ich in Ungnade falle. Dass es jeden Moment passieren kann.« Er klatscht behutsam in die Hände. »Ich schätze, auch das ist eine Art von Stress.«
    »So klingt es«, sagt Martin.
    »Wenn ich therapiert werden müsste… würde ich sehr viel verlieren, Dr. Burke.«
    »Das kommt in den besten Kreisen vor.«
    »Sie sagen das nur so«, erwidert Crest. »Aber es ist nicht wahr. In den besten Kreisen kommt es eben nicht vor. Die Besten von uns können damit leben. Die Besten von uns verfügen über die bessere Chemie, über stärkere Neuronen, ein besseres Molekulargleichgewicht, eben eine rundum bessere Konstitution… Wir sind aus besserem Holz geschnitzt. Und die anderen… sie scheitern, weil sie mangelhaft sind.«
    Instinktiv entwickelt Martin Antipathie gegen diesen Mann – er fühlt sich in seiner Gegenwart unbehaglich. Aber

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