Slant
völlig überrascht und verwirrt, ob dies wirklich zu Jakes Demo gehört.
»Entschuldigen Sie bitte, aber es ist meine PFLICHT.«
Mit diesem gewaltigen Wort zerfällt der Pavillon zu einem Flickenteppich aus verrutschten Scans und sich überlappenden Farben. Alices sämtliche Sinne kippen. Die Zerschmelzung wird zur Verbrennung, die Akzeptanz zur wütenden Verdammnis. Sie fühlt sich über alle Maßen schuldig; die Menge verachtet sie, die Sterne wenden ihr Gesicht ab.
Minstrels Hände greifen durch die verrutschten, zerreißenden Fragmente des Yox. »Halt dich fest!«, ruft er. »Etwas stimmt nicht!«, hört Alice Minstrel schreien.
Die Luft riecht nach Schwefel und Essig. Sie spürt, wie ihre Haut versengt und ihre Muskeln die Sehnen aus den Knochen reißen. Sie zuckt krampfhaft.
Es scheint ewig zu dauern. Die Menge schimpft wutentbrannt, sie ist ein kleines Mädchen ohne jeden Schutz. Alles, was sie tut, selbst das Atmen, erntet Missbilligung. Sie fleht um Mitgefühl, möchte die Anerkennung wiedergewinnen, die ihr so unvermittelt entzogen wurde. Minstrels Hände schweben vor ihr, doch sie kann sie nicht berühren, da sie genug mit ihrer eigenen verzweifelten Besorgnis beschäftigt ist.
Und dann wird etwas aus ihrem Rückgrat gerissen. Sie erkennt ausschnitthaft, wie Tim über ihr steht. Jake flucht.
»Scheiße, haben wir das falsche Modell erwischt? Ist mit ihrem Kopf alles in Ordnung?«
Das ist Jake.
Die Techs schreien irgendetwas von einem chiffrierten Signal.
»Komm schon«, sagt Tim zu Alice, über sie gebeugt. »Schlaf nicht ein. Bleib wach. Bloß nicht einschlafen jetzt!«
Aber Alice kann nicht anders. Schlaf ist der einzige Fluchtweg, abgesehen vom Tod, der im Augenblick die verlockendere Möglichkeit wäre, wenn sie genügend Kraft hätte, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen.
Dann folgt ein unglaublicher Schmerz, der ihre Seele von Kopf bis zum Anus durchzieht. Alice weiß, dass er niemals aufhören wird, dass sie bereits gestorben ist und ohne Umweg direkt in die Hölle gefahren ist.
*
Die Medos sind Menschen und machen einen professionellen Eindruck. Sie schließen Alice an und unterhalten sich flüsternd wie Profis.
Tim sagt etwas zu ihr.
Sie sieht immer noch Minstrels Hände vor sich, in Purpur umrissen und erstarrt, wie das Nachbild eines grellen Blitzes.
Sie ist wieder im Herbstraum mit den fallenden Blättern.
Jake versucht ihr etwas zu sagen.
»Das gesamte Hausnetz ist ein einziges Chaos. Etwas hat die Firewalls durchbrochen. Meinst du, sie könnten es getan haben? Eine Art Sabotage? Für wen haben sie zuletzt gearbeitet?«
Es ist Jake, der da spricht.
»Du musst wach bleiben, damit deine Nerven die Nachwirkungen des…«
Das Brennen ist unabwendbar. Ihr Brennen ist Missbilligung. Immer und überall hat sie die Missbilligung von Männern und Liebhabern und der weiteren Gesellschaft gefürchtet.
»Komm schon, Alice.«
»Ich will nicht.«
Das bin ich, die da spricht.
»Wo ist Minstrel«, fragt sie.
Sie sitzt auf einem Stuhl im Herbstzimmer und trinkt ein Glas Wasser, während die Medos links und rechts von ihr sitzen und ein dritter, ein Arbeiter, vor ihr aufragt. Sie legen ein Pflaster nach dem anderen auf, um ihre Monoamine und Transmitter ins Gleichgewicht zu bringen. Aber das Brennen geht nicht weg.
»Schi fi bu ick«, lallt sie. Sie spürt, wie ihr Gesicht und ihre Arme zucken.
»Sie ist fix und fertig, ihre Nerven sind am Ende, und was, zum Geier, ist mit ihm los?«
Jake spricht. Er ist wütend und hat Angst.
»Sie hat alles kaputtgemacht. Ich weiß, dass sie es getan hat, sie ist ein nervliches Wrack.«
Wieder Jake. Tim sagt leise: »Halt die Klappe, Jake. Wie soll sie irgendetwas mit deinen Maschinen angestellt haben?«
Die Blätter fallen. Alice beobachtet sie mit zombiehafter Faszination. Tim sagt etwas Wichtiges. Er sagt, dass Minstrel tot ist.
»Oh«, sagt Alice. Minstrels Hände verblassen. Jetzt ist es an der Zeit, sich an den grundlegenden Dingen festzuhalten; zunächst muss sie überleben und vielleicht kann sie später versuchen, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen, Sinn in alles zu bringen. »Ich möchte, dass ihr diese Person informiert.« Sie gibt ihnen einen Namen und eine Nummer.
»Das ist die Seattle PD. Die Polizei ist schon unterwegs, die Medos haben sie gerufen. Verdammt, er ist tot! Ein blödes Yox kann doch niemanden umbringen!«
Das ist wieder Jake.
»Jemand hat versucht, mich zu töten«, sagt sie zu ihnen.
Sie starren sie
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