Slant
nimmt Chloe die Brille ab und dreht sich mit dem Stuhl zu ihm herum. Sie starrt ihn unverwandt an.
»Wusstest du, dass neutral wie neural mit T ist?«, fragt sie. Dann wendet sie den Blick ab und lächelt. Sie schüttelt den Kopf, als hätte sie sich eine viel zu intelligente Bemerkung erlaubt. »Hallo, Jonathan.«
»Geht es dir besser?«
»Anders als vorher, danke der Nachfrage.« Sie verzieht das Gesicht, als müsste sie einen Gedanken unterdrücken. »Ich bin immer noch verärgert, falls du das gemeint hast. Aber ich fühle mich besser… selbstsicherer. Ja.«
»Dr. Stringer hat mir gesagt, es könnte noch einige Zeit dauern, bis wieder alles mit dir in Ordnung ist.«
»Ich fühle mich schon jetzt in Ordnung, Jonathan.« Ihr Tonfall ist schnippisch, beinahe spitz.
»Penelope und Hiram haben darauf gewartet, dich besuchen zu können. Sie sind jetzt in der Schule, aber…«
»Ich will sie nicht zusammen mit dir sehen. Es sind meine Kinder, ich liebe sie, aber auf deine Anwesenheit lege ich keinen Wert.«
Jonathan hat erneut das Gefühl, auf eine leere Hülse reduziert zu werden.
»Habe ich mich beim letzten Mal nicht klar genug ausgedrückt?«, fragt sie. Es kostet sie einige Mühe, den Kopf zur Seite geneigt, einen Fluss wahlloser Worte zurückzuhalten, die sich in ihrer Kehle angesammelt haben. Jonathan schnappt nur ein paar Fragmente auf, die sie ihm wie Kirschkerne entgegenspuckt: Ick, schi, ah, kop, pss, hun, bu. Sie hält den Kopf wieder gerade und bringt ihre Gesichtszüge unter Kontrolle. »Ich bin so… verfickt wütend und enttäuscht, dass ich kaum noch geradeaus denken kann. Das wird nicht besser werden.«
Wieder die Neigung ihres Kopfes, die Anspannung ihrer Hände, die Laute.
»Ich will das nicht«, sagt sie. »Lass mich in Ruhe.«
Jonathan starrt sie schweigend an.
»Es ist vorbei. Das habe ich dir schon einmal gesagt.«
Er zuckt zusammen und verzieht die Mundwinkel, während er zur Seite blickt. »Ich glaube es nicht. Ich habe nur für dich und die Kinder geliebt.«
»Dann hättest du mich mit mehr Respekt behandeln sollen. Ich habe schon vor Jahren aufgehört, dich zu lieben. Jetzt kann ich deinen Anblick nicht mehr ertragen. Du hast es niemals geschafft, mich richtig zu behandeln. Ich vertraue dir nicht mehr. Danke, dass du gekommen bist, Jonathan. Und jetzt VERPISS DICH!« Ihr Gesicht ist eine Fratze des Zorns, als sie diese Worte ausspuckt.
»Das ist nur die Krankheit«, sagt Jonathan matt.
»Das ist das, was ich denke, was ich bin. Ich bin jetzt zu Bewusstsein gekommen. Ich werde mir einen Anwalt nehmen… sobald dieses… diese Einrichtung mir meine volle Mündigkeit zurückgibt. Nichts wird sich verändern. Verpiss dich endlich!« Diesmal kommt es etwas milder, aber wieder mit den entgleisten Gesichtszügen und den Fragmenten: Um, Bu, Ick, Ack, Schi. Got, nuk, am, schi.
Sie wendet sich ab und setzt die Brille wieder auf. Ihre Wangen spannen sich an.
Du hast gewusst, dass du sie lieber nicht noch einmal besuchen solltest, aber du bist trotzdem gekommen. Sie hat es dir beim letzten Mal gesagt, wenn auch mit anderen Worten.
Er will sich nicht verteidigen, sein Verstand weiß, was wirklich los ist, und kann damit umgehen, vielen Dank. Irgendwann wird es ihr besser gehen. Aber seine Instinkte sagen nein. Er kann diesen Eindruck nicht ignorieren. Er dreht sich um und verlässt das Zimmer.
Die Klinik fühlt sich kalt an, und die Wände hallen, und die Luft draußen ist so kalt, dass sie ihm seine letzte Kraft zu rauben scheint. Um die Kälte zu vertreiben, schürt er die Hitze seines Zorns.
Im Autobus schickt er eine Nachricht an Penelopes Sig und teilt ihr mit, dass er das Haus angewiesen hat, das Essen zuzubereiten, und dass er später kommen wird. Er hat keine Ahnung, wo er später sein wird; vielleicht bei Marcus. Er lässt sich von seinem Autopiloten steuern. Er tut Dinge, ohne darüber nachzudenken, seine Gliedmaßen werden von unbewussten Rhythmen bewegt und die Wut und der Zorn lodern wie ein Feuer in ihm.
Der alte Jonathan ist nur noch eine dünne Hülle, die bei der geringsten Berührung aufplatzen wird.
*
Marcus Reilly öffnet persönlich die Haustür und reagiert überrascht, als er Jonathan vor seiner Schwelle vorfindet. »Jonathan, ich dachte, du wärst noch lange nicht überzeugt.«
»Ich musste zuerst darüber nachdenken«, sagt Jonathan.
»Du bist wegen einer dringenden Familienangelegenheit beurlaubt, wie ich höre«, erwidert Marcus, als sie ins Foyer
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