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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Achselhöhle, die gestern ein wenig entzündet waren; doch heute sind sie kleiner und schmerzen überhaupt nicht. In drei Monaten wird sich ihr Zustand stabilisiert haben, sodass sie dann ohne die Monitoren und Stützen leben kann.
    Die Straßen hinter dem Fenster des Busses sind dunkel. Nur schwache Lichter glimmen am Bordstein und über der Straße. Große würfelförmige Wohnkomplexe säumen die Nordseite, während rechts ältere Einzelhäuser stehen. Arbeiter sind damit beschäftigt, drei alte Holzrahmenhäuser abzureißen, um Platz für einen weiteren Komplex zu schaffen. Bald wird der Corridor genauso überfüllt wie die Südküste sein, denkt sie. Für einen kurzen Moment hat sie Verständnis für die Isolationisten in Green Idaho – bis sie wieder Vernunft annimmt.
    In Green Idaho würde man sie als Transformierte niemals akzeptieren, nicht einmal nach der Umkehrung. Sie rümpft die Nase: Diese kleine Eiterbeule voller untherapierter, selbstgerechter Atavisten! Eure Töchter drängen sich begierig in den Corridor oder sogar an die Südküste, und sie haben so wenig Ahnung, dass sie schließlich in den Händen der Olympier enden, tot und gekocht. Und ihr verschließt eure kleinen selbstgerechten Herzen und vergesst sie einfach. Ihr denkt: »Geschieht ihnen recht, sie bekommen nur, was sie verdient haben…«
    Mary unterbricht abrupt diesen Gedankengang. Ihre Haltestelle kommt in Sicht. Sie geht durch den Gang an den Sitzen vorbei, die mit gedumpften Zeitangestellten besetzt sind, die von den Türmen nach Norden fahren. Ein paar blicken zu ihr auf; die meisten sind völlig mit ihren Pads beschäftigt. Sie steigt aus und tritt in die Nacht hinaus.
    Die Luft ist kühl und feucht. An diesem Abend gibt es keine Sterne, und die Wolken bewegen sich schnell über den Himmel. Es könnte ein Unwetter geben. Sie will aufbleiben und schauen, ob der Wind schnell genug weht, um die berühmte Convergence Zone Light-Show zu sehen, die strahlenden Blitze, die in zwei Farben von Wolke zu Wolke zucken, in Limonengrün und Bitterorange. Sie hat das Phänomen bisher nur einmal beobachtet und würde es gerne wieder sehen, vor allem am heutigen Abend, wenn sie vermutlich nicht schlafen kann.
    Der Komplex aus zwölf Wohneinheiten, in dem sie lebt, steht aneinander gereiht neben einem Hügel am dunklen Wasser des Silver Lake. Es amüsiert sie, dass ihre letzte Wohnung in LA im Stadtteil Silverlake lag; sie wird ständig von Namen verfolgt. Sie fährt mit dem Aufzug nach oben, als ihr Polizei-Pad in der Tasche vibriert. Sie steigt auf ihrem Stockwerk aus und beantwortet den dienstlichen Anruf.
    Es ist Nussbaum. Sein Gesicht wirkt auf dem Pad-Schirm rötlich. »Ms. Choy, wir haben eine neue Geschichte von unserem Verdächtigen, dem Doktor. Er behauptet, er sei nur ein Mittelsmann gewesen, und erzählt uns alles Mögliche über Finanzen. Klingt faszinierend. Es sieht so aus, als hätten wir hier einen Ringelwurm, High-Comb-Geld. Sehr high-comb. Haben Sie jemals von Terence Crest gehört?«
    »Ich denke schon, Sir. Unterhaltungswirtschaft, nicht wahr?«
    »Ein ganz großer Junge hier in der Gegend. Wir treffen uns im Adams – Sie sind im Norden, wie ich sehe – sagen wir, in zwanzig Minuten?« Der Treffpunkt erscheint samt Stadtplan und visuellen Hinweisen auf ihrem Pad. Es ist ein exklusiver Wohnkomplex im Stadtzentrum von Seattle, top-spin.
    »Ich werde pünktlich sein.«
    Mary Choy öffnet die Tür zu ihrem kleinen und immer noch undekorierten Apartment, konsultiert ihr persönliches Pad, hört sich die Meldungen des Hausmanagers an, geht in die Hocke, um ihre rot-weiße Katze zu streicheln und den jadefarbenen Arbeiter zu überprüfen, rekonfiguriert den Hausmanager, und dann ist sie wieder draußen. Sie hat zwar nichts gegessen, aber es geht ihr schon viel besser.
    Sie arbeitet lieber, als allein mit den Erinnerungen dieses Tages herumzusitzen.
    Auf dem Weg zur Bushaltestelle hört sie ein schrilles elektrisches Hupen, dann kommt ein weiß-gelber PD-Cruiser summend neben ihr zum Stehen. Die Tür gleitet auf und sie erkennt zwei jüngere Kollegen, die ihr auf der runden Rückbank des Fahrzeuges Platz machen.
    »Spielen Sie doch mit, Ms. Choy«, sagt der eine. Er hat gebuzztes mausgraues Haar über kleinen schwarzen Augen und einer langen Adlernase. Er zeigt ihr die Spielkarten, die er in der Hand hält: Poker. Mary hat das Spiel immer noch nicht gelernt, aber sie lächelt und zwängt sich neben die Männer in den Cruiser. Der

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