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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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»Geh«, sagt sie und stößt ihn weg.
    »Du solltest die Kinder einsperren und dir ein paar Stunden nur für dich gönnen.«
    »Ich glaube, sie werden sich freiwillig von mir fernhalten«, erwidert sie. »Ich werde die Zeit für mich nutzen.«
    »Gut.« Jonathan geht zur Haustür. »Spar dir etwas Energie auf, bis ich zurückkomme.« Sie wirft ihm einen gleichmütigen, unverbindlichen Blick zu. Seit einiger Zeit hat sie sich angewöhnt, nur noch zu reagieren, wenn er drängt, und wenig oder gar nichts an Gefühlen zu offenbaren, wenn sie intim sind – außer denen, die unbedingt obligatorisch sind. Durch diese Abschottung gewinnt sie ein Stück der Privatsphäre zurück, die sie braucht, und kann sich eine gewisse Würde bewahren.
    Er öffnet die Tür, ein kalter Hauch weht herein, und dann ist er fort. Er geht zu Fuß, er rennt fast.
    Im vergangenen Jahr haben sie ihren Wagen aufgegeben, weil es sie mehr als hundert Riesen pro Jahr kostete, ihn nur ans Netz anzuschließen und zu parken. Die Steuern und Gebühren hatten ihre finanziellen Kapazitäten überstiegen. Jetzt lässt Jonathan seine Termine über sein Pad mit den Busfahrplänen koordinieren. Er behauptet, dass es ihm so sogar mehr Spaß macht, weil er den sozialen Spin viel besser spürt, wenn er mit dem Shuttle zu seinen Treffen in den Türmen fährt.
    Ihr Vater, ein Raumfahrtingenieur, hatte überhaupt nichts für den Wagen übrig. Er meinte, es reiche völlig aus, über Fibe zu arbeiten, und dass man jedes denkbare Geschäft aus der Ferne erledigen könne. Jonathan dagegen glaubt an Händeschütteln und direkten Blickkontakt. Er hat mehrere Male erwähnt – leichthin, aber nicht im Scherz –, dass sie in einen der Tower ziehen sollten, um dem wahren Leben näher zu sein. Sie jedoch bevorzugt dieses Jahrhunderte alte Haus, und es würde ihr ganz und gar nicht gefallen, in zweihundert Metern Höhe eingelagert zu werden.
    Wo Jonathan konservativ ist, ist sie liberal, und wo er trendig ist, macht sie einen Rückzieher. Zusammen ergeben sie eine fast vollständige menschliche Persönlichkeit, denkt sie und redet sich ein, dass es nur scherzhaft gemeint ist.
    Chloe geht ins vordere Wohnzimmer und starrt über die nächsttiefere Häuserreihe auf den tief graublauen Lake Washington. Der Himmel ist klar und dunkelt hübsch. Ein paar orangefarbene Wolkenstreifen ergeben ein schönes Gleichgewicht, helle Himmelsfarben gegen gedämpftes Erddunkel. Das ist die Dämmerung, denkt sie, ein hübsches Wort.
    Sie setzt sich in den großen Sessel und spürt, wie er sich ihr mit einem leise schnurrenden Seufzen anpasst. Im Haus ist es still. Sie hofft, dass sich die Kinder mit etwas Sinnvollem beschäftigen. Sie sind viel zu alt, als dass sie sie ständig überwachen könnte. Sie schlagen allmählich ihren eigenen Orbit im freien Fall ein, und was sie noch in der Nähe hält, ist die Erinnerung an ihre Startphase und die Gravitation der Kultur. Vaters Art, die Dinge zu sehen.
    Doch dann hört sie sie wieder schreien und verdreht die Augen.
    Penelope stürmt die Treppe herunter. Chloe dreht sich zu ihr um, stets aufmerksam und voller Geduld, wenn auch erschöpft.
    »Mom, die Toilette sagt, dass jemand krank ist, aber ich fühle mich gut und Hiram auch«, sagt Penelope.
    »Niemand ist krank. Ich würde mir deshalb keine Sorgen machen«, sagt Chloe und schaut wieder aus dem Fenster.
    »Aber die Toilette irrt sich nie!«
    Chloe erhebt sich aus dem Sessel. Ihr Zorn steigert sich mit überraschender Geschwindigkeit, aber sie zeigt es nicht. »Du weißt, wie man die Überprüfung durchführt«, sagt sie zu ihrer Tochter, aber Penelope verzieht nur das Gesicht. Solche Angelegenheiten gehören nicht zu ihren Pflichten. Chloe lächelt verbissen und geht nach oben.
    Es ist einfach nicht ihre Welt. Zumindest nicht an diesem Abend – und vielleicht wird sie es nie mehr sein.

 
10 /
     
    Mary Choy verbringt die letzte Stunde ihrer Schicht im Außenhof des vereisten Haus, wo sie den Hausmeister des leerstehenden Wohnblocks befragt. Er ist in den Fünfzigern, hat sanfte Augen, aber ein langsames, wissendes Lächeln. Er wirkt überhaupt nicht nervös. »Die Häuser verfallen nach und nach«, sagt er. »Sie stehen hier einfach nur leer herum. Jeder verliert Geld. Ich habe nur ein kleines Geschäft arrangiert. Was wird es mich kosten?«, fragt er.
    »Zunächst Ihren Job«, antwortet Mary. »Dann werden Sie wahrscheinlich wegen Duldung eines Verbrechens angeklagt. Und wenn die

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