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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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die Frau in Crests Apartment schon einmal gesehen hat. In einem Sex-Vid, das sie sich zusammen mit ihrem damaligen Partner E Hassida in Los Angeles angeschaut hat. Es war gar nicht so schlecht gewesen. Und die Frau hat in diesem Vid mitgespielt.
    In wenigen Sekunden hat Mary sich angezogen. Sie schickt eine Nachricht an Nussbaums Pad und hofft, dass er nicht bei Eingang geweckt wird. Andererseits vermutet sie, dass er einen Filter aktiviert hat, dass er auf jeden Fall geweckt wird, wenn sie anruft.
    Sie kann sich nicht an den Namen der Frau erinnern. Sie weist ihr Pad an, eine Parallelsuche durchzuführen, vorläufig auf eigene Rechnung, da im Budget dieses Falles bislang keine Kosten für Recherchen vorgesehen sind.
    »Nach welcher Information soll gesucht werden?«, erkundigt sich die Bibliotheksmaus und blinzelt hinter riesigen Brillengläsern.
    »Ich brauche den Namen einer Frau. Sie tritt in pornografischen… ich meine, Sexdienstleistungs- und Unterhaltungs-Vids auf, die Mitte bis Ende der Vierziger produziert wurden. Dunkelbraunes Haar. Ihr Fach ist… das junge, unschuldige Ding, das in neue Vergnügungen eingeführt wird, insbesondere Gruppenpaarungen, vorwiegend mit reifen Männern…«
    »Ts-ts«, macht die Maus und schüttelt den Kopf. »Bis jetzt gibt es dreihundert Treffer, die auf Ihre Beschreibung zutreffen. Wollen Sie eine Liste?«
    Mary verzieht das Gesicht. »Moment, vielleicht kann ich mich wenigstens an ihren Vornamen erinnern…«Ihr Gedächtnis arbeitet zu dieser Tageszeit ärgerlich langsam. »April oder Alicia…«
    »Keine Übereinstimmung. Allerdings…« Die Maus hebt drei Finger. »Ich habe drei Alices auf der Liste. Soll ich sie anzeigen?«
    »Anzeigen«, sagt Mary und hält das Pad in der Hand, während sie durch die Küche geht. Sie trägt ihre komplette PD-Ermittleruniform, die zwar nicht so militärisch und offenkundig wie in LA ist, aber dennoch Eindruck hinterlässt: blau-grauer Stoff mit hohen Integralstiefeln und Empfangsausrüstung. Wenn sie einen schwierigen Fall untersuchen soll, möchte sie vorbereitet sein – und sie ist überzeugt, dass Nussbaum sie nicht von diesem Fall abziehen wird.
    »Alice Frank«, liest Mary vom Pad ab. »Alice Grale, Alice Luxor. Grale. Alice Grale. Ich glaube, das ist sie.«
    Sie muss herausfinden, wo Alice Grale wohnt. Mit ihren Möglichkeiten und PD-Verbindungen dürfte es ihrer Ansicht nach höchstens zehn Minuten dauern. Doch sie hat die Adresse der Frau bereits nach sieben Minuten.
    In der Zwischenzeit schaut sie nach, was ihre Suche nach Terence Crest ergeben hat. 51 Jahre alt, verheiratet (Name der Ehefrau: Arborita geb. Charbonneaux), zwei Kinder; Wohnungen in Seattle (2), Los Angeles, Paris, Frankfurt, Singapur; spendet häufig für karitative Zwecke, Hauptgesellschafter zweier weltweiter Produktionsfirmen und eines Weltvertriebssyndikats; Gesamtwert schätzungsweise vier Milliarden Dollar.
    Eigentlich nicht der Typ, der seinen guten Namen für die Investition in eine illegale Psynthe-Operation aufs Spiel setzt. Aber vielleicht auch nicht der Typ, der ständig über all seine Investitionen auf dem Laufenden ist. Und gewiss nicht der Typ Mann, der auf ein gelegentliches Call-in angewiesen ist.
    Sie setzt sich in ihre Essnische und legt das Pad auf den kleinen runden Tisch. Die Falte zwischen ihren glatten, fein behaarten Augenbrauen vertieft sich. All das ergibt überhaupt keinen Sinn.

Die wahren Machthaber hoffen, dass wir – die Konsumenten von Yox und Vid – an ihren fiktiven Gegenpart glauben, an die kalten und unbezwingbaren Nullen, die wir als Rollenvorbilder akzeptieren, denn sie vermitteln den Hauch göttlicher Unübertrefflichkeit. Der Finanzier und der Firmenchef wissen, dass sie Olympier sein müssen, in Rätseln sprechen müssen; sie dürfen keine der Schwächen des fleischlichen Erbes zeigen. Wenn wir sie nicht herausfordern, sind sie unfehlbar.
     
     
    Vierzig Prozent des Bruttosozialprodukts dieser Nation wird für Unterhaltung ausgegeben. Finanziers und Firmenchefs im Unterhaltungsgewerbe haben über viele Jahrzehnte hinweg gewählte Vertreter gekauft und verkauft, bis hinauf zum Präsidenten. Sie sind nicht unfehlbar; genauso wie wir alle sind sie nicht mehr als großspurige Kinder, aber sie verfügen über eine furchterregende Macht. Sie sagen uns, was wir träumen sollen.
    - The Kiss of X, Liebesleben, Lebenslügen
     
     
3 /
     
    Alice hat so schöne Gutenachtgeschichten geträumt, dass sie gar nicht aufwachen will.

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