SLEEP - Ich weiss, was du letzte Nacht getraeumt hast
erblich ist?« Das Auto wird langsamer und bleibt mitten auf der Landstraße stehen.
»Ich weiß es nicht«, antwortet Janie. Sie sieht nervös über ihre Schulter. »Carl, was machst du denn?«
»Ich wende«, erklärt er, setzt zurück und tritt aufs Gas. »Das ist wichtig. Er hat vielleicht Informationen über diesen Fluch, den du trägst. Und vielleicht haben wir keine andere Chance.«
12:03 Uhr
Carl steht vor Henrys Haustür und nimmt seinen Führerschein aus der Brieftasche. Er schiebt die Karte neben der Klinke in den Türspalt und beginnt, sie hin und her zu bewegen. Mit fest zusammengepressten Lippen versucht er, den Riegel zu verschieben, damit sie einbrechen können.
Janie sieht ihm einen Augenblick lang zu. Dann streckt sie die Hand nach dem Türgriff aus und drückt ihn herunter. Die Tür geht auf.
Carl richtet sich auf. »Also echt. Wer schließt denn heutzutage seine Tür nicht ab?«
»Vielleicht jemand, dessen Gehirn explodiert ist? Jemand, der mitten im Nichts wohnt und nichts hat, was man stehlen könnte? Jemand, der halb verrückt ist? Vielleicht hat er den Sanitätern gesagt, sie brauchen nicht abzuschließen, weil er seinen Schlüssel nicht hatte.« Janie betritt das kleine Haus und macht Carl Platz. »Siehst du?« Sie deutet auf ein Schlüsselbrett an der Wand, an dem ein Schlüsselbund hängt.
Drinnen ist es stickig. Küche, Wohnbereich und Bett befinden sich alle im größten Zimmer. Eine Tür in der hinteren Ecke scheint in ein Badezimmer zu führen. Auf einem Regal steht ein Radio und auf dem Küchentresen ein kleiner Fernseher. Durch ein offenes Fenster mit geschlossenen Läden im hinteren Teil des Hauses dringt heiße Luft herein. Ein dünner gelber Vorhang flattert im Luftzug. Unter dem Fenster ist ein Tisch, auf dem ein alter Computer steht. Die Kaffeetasse und eine Schüssel deuten an, dass dieser Tisch sowohl zum Arbeiten als auch zum Essen diente. Unter dem Tisch ist ein Schubladenelement mit drei Auszügen, das aussieht, als hätte es früher einmal zu einem richtigen Schreibtisch gehört. Ein paar Papiere liegen auf dem Boden, als hätte der Wind sie dorthin flattern lassen.
An der Wand neben der hinteren Tür lehnen zusammengefaltete Pappkartons. Das Bett ist ungemacht. Auf einem behelfsmäßigen Nachttisch aus einem Pappkarton steht ein halb volles Glas Wasser.
»Nun«, bemerkt Janie. »So viel zu meinem Traum von einer wunderbaren Überraschungs-Erbschaft. Der Kerl ist noch ärmer als wir.«
»Und das ist gar nicht so einfach«, erwidert Carl und sieht sich um. Dann geht er zum Schreibtisch. »Es sei denn, ihm gehört das Grundstück. Das könnte wertvoll sein.« Er blättert durch ein paar Rechnungen auf dem Schreibtisch. »Oder auch nicht … Hier ist ein entwerteter Scheck, auf dem ›Miete‹ in der Betreffzeile steht.«
»Mist.« Widerwillig tritt Janie zu Carl. »Das fühlt sich irgendwie komisch an, Carl. Wir sollten das nicht tun.«
»Du wirst nie etwas herausfinden, wenn du wartest, bis er tot ist. Dann übernimmt der Staat das hier und der Vermieter wird einen zahlenden Mieter haben wollen. Sie werden hier aufräumen, alles Brauchbare verkaufen, um die Krankenhausrechnung zu bezahlen, und das war es dann.«
»Du weißt aber einen Haufen überflüssigen Kram.« Janie sieht sich um.
»Einen Haufen nützlichen Kram.«
»Schon möglich.« Sie wandert in dem kleinen Haus herum. Auf dem Fernseher liegt eine Auswahl rezeptfreier Schmerzmittel. Der Kühlschrank ist halb voll. Ein Viertelliter Milch, einige Scheiben Vollkornbrot, eine Packung Aufschnitt. Ein ganzes Fach ist gefüllt mit grünen Bohnen, Maiskolben, Tomaten und Himbeeren. Janie sieht aus dem Fenster und entdeckt einen kleinen Garten, der von ein paar wilden rotgepunkteten Sträuchern umrandet ist.
Die Küchenschränke sind fast leer, bis auf ein paar nicht zusammen passender Teller und Gläser. Überall liegt eine leichte Staubschicht, aber es ist kein schmutziges Haus. Im Wohnbereich steht ein abgenutzter alter Sessel, ein Tischchen mit einer hölzernen Lampe darauf und ein großes, selbstgebautes Gestell voller Kartons. Daneben ein kleines Buchregal. Janie stellt sich vor, wie Henry abends hier im Sessel sitzt, liest oder in seinem fast gemütlichen Zuhause fernsieht. Sie fragt sich, was für ein Leben das wohl gewesen sein mag.
Sie geht zum Bücherregal und entdeckt zerlesene Ausgaben von Shakespeare und Dickens. Auch Kerouac, Hemingway und Steinbeck. Und ein paar Bücher mit seltsamen
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