SLEEP - Ich weiss, was du letzte Nacht getraeumt hast
fährt den Computer herunter.
Dann zieht sie das Bett ab und steckt die Laken in die kleine alte Waschmaschine. Sie entschließt sich, heute sauber zu machen und dort zu schlafen.
Hier, in ihrem neuen Zuhause.
Es ist eine verdammt große Erleichterung.
Erinnerungen
20:43 Uhr
Der erste Abend in ihrem neuen Heim. Isolation, Tag eins.
Die Wäsche ist gewaschen, im Haus staubgesaugt, das Sandwich gegessen und die Einkaufsliste geschrieben. Janie sitzt mit Henrys Schuhschachtel voller Erinnerungen auf ihrem neuen Bett.
Inhalt:
• Vierzehn Briefe von Dottie
• Fünf ungeöffnete Briefe von Henry an Dottie mit dem Vermerk: Zurück an Absender
• Eine kleine, angelaufene Medaille vom Cross-Country-Team einer Highschool
• Ein Ring
• Zwei Umschläge mit Fotografien
• Ein kanadischer Dollar und ein Silberdollar
• Neun Büroklammern
• Ein alter Führerschein
• Ein zusammengefaltetes Blatt Papier
Vorsichtig nimmt Janie die Fotos aus den Umschlägen und sieht sie sich an. Fotos von Dorothea – massenweise. Fotos von ihnen beiden, lachend, scherzend. Wie sie küssend zusammen am Strand liegen, mit einem glücklichen Lächeln auf dem Gesicht. Auf den großen grauen Felsen am Lake Michigan, im Hintergrund ein Schild mit der Aufschrift »Navy Pier«. Sie sehen gut aus zusammen. Dorothea ist hübsch, besonders wenn sie lächelt. Unglaublich.
Janie erkennt auch das Wohnzimmer auf den Bildern. Henry hat die Füße auf demselben Couchtisch, dieselben alten Vorhänge hängen am Fenster, Dorothea liegt auf derselben gammeligen Couch, doch auf den Fotos sieht alles fast neu aus. Alles ist dasselbe. Noch einmal betrachtet Janie die Fotos von dem glücklichen Paar.
Na ja, vielleicht ist nicht wirklich alles dasselbe.
Mithilfe des aufgedruckten Datums sortiert Janie die Fotos in chronologischer Reihenfolge und stellt sich ihre Liebe vor. Der Wirbelsturmsommer 1986, als sie zusammen bei Lou in Chicago gearbeitet hatten, mit einer Unterbrechung im Herbst – zu dieser Zeit mussten sie sich getrennt haben, als Dottie zur Highschool und Henry auf die Universität von Michigan ging. Janie wirft einen Blick auf die Briefe in der Schachtel und betrachtet die Poststempel auf den geöffneten Briefen. Sie stammen alle aus der Zeit vom 27. August bis zum Oktober dieses Jahres. Vierzehn handgeschriebene Briefe in zwei Monaten , denkt Janie. Das ist Liebe.
Der zweite Stapel Fotos beginnt Mitte November 1986 und die letzte Fotografie ist mit dem 1. April 1987 datiert. 1. April. Guter Tag. Janie rechnet vom Tag ihrer Geburt am 9. Januar 1988 zurück. Das passt ungefähr , denkt sie. Neun Monate zuvor wäre der 9. April 1987 gewesen. Nach dem letzten Foto war nicht viel Zeit vergangen, bis sie ein Kind gezeugt und sich kurz danach getrennt hatten.
Gepackt von der Neugier nimmt sie die Briefe in die Hand. Die Neugier überwältigt sie fast. Unglaubliche Neugier. Sie nimmt sogar den ersten zur Hand und fährt mit dem Zeigefinger über die Faltung des Briefes im Umschlag. Doch dann legt sie ihn wieder weg.
Es ist, als seien die Briefe irgendwie heilig.
Das und igitt ! Wahrscheinlich steht irgendetwas Widerliches in diesen Briefen. Das wäre fast so schlimm, wie in den Sextraum ihrer Mutter gesaugt zu werden. Igitt! Bah! Würg! Wenn man so etwas erst mal gelesen hat, kann man es nicht mehr aus dem Gedächtnis streichen.
Janie legt die Briefe und die Fotos wieder in die Schachtel. Sie nimmt den kanadischen Dollar und fragt sich, wie lange es wohl her ist, seit ihr Vater in Kanada war. Lächelnd legt sie die Münze neben den Silberdollar und nimmt die Cross-Country-Medaille. Sie dreht sie in den Fingern, hält sie sich dicht vor das Gesicht und blinzelt heftig, um alle kleinen Vertiefungen und Rillen sehen zu können.
»Ich laufe auch«, flüstert sie. »Nur anders. Ich bin eher der Straßentyp.«
Sie drückt die Medaille an sich und heftet sie dann an ihren Rucksack.
Als Nächstes sieht sie sich den Führerschein an. Es war sein erster, und er ist schon lange abgelaufen. Sein Foto ist wahnsinnig komisch und die Unterschrift eine kindlichere Version derer, die Janie im Haus gesehen hat.
Dann nimmt sie den Ring. Auf einer Seite ist 1985 eingraviert, auf der anderen LHS . Unter der Gravur ist die winzige Skizze eines Läufers. Der Ring ist aus Gold mit einem Rubin – und wunderschön. Janie stellt ihn sich auf Henrys Finger vor, nimmt sich noch einmal die Fotos vor und entdeckt ihn an seiner rechten Hand. Janie steckt ihn sich auf
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