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SLEEP - Ich weiss, was du letzte Nacht getraeumt hast

SLEEP - Ich weiss, was du letzte Nacht getraeumt hast

Titel: SLEEP - Ich weiss, was du letzte Nacht getraeumt hast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa McMann
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ersticken.
    »Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.« Das Murmeln der Menschen um sie herum reißt Janie aus ihren Gedanken. Schnell sucht sie die richtige Stelle auf ihrer Karte und liest mit.
    Anschließend fragt der Rabbi, ob jemand etwas über Henry erzählen möchte.
    Janie starrt ins Gras.
    Nach kurzem Zögern tritt Cathy in ihrer braunen UPS -Uniform vor und räuspert sich. Janie spürt, wie ihre Mutter erstarrt.
    »Wer ist das?«, zischt sie Janie zu.
    Janie drückt die Schultern ihrer Mutter, sagt aber nichts.
    »Henry Feingold war mein Kunde und im Laufe der Jahre wurden wir Freunde«, beginnt Cathy unsicher. »Er hatte immer eine Tasse Kaffee oder ein kaltes Getränk für mich. Und als er herausfand, dass ich Schneekugeln sammle, hat er begonnen, beim Einkauf für seinen kleinen Onlineshop danach zu suchen. Er war ein wirklich aufmerksamer Mensch, ich werde ihn auf meiner Route vermissen und … Janie, ich danke dir, dass du mir über seinen Tod Bescheid gegeben hast, damit ich mich von ihm verabschieden kann. Das war’s.«
    Cathy tritt zurück an ihren Platz.
    »Vielen Dank. Noch jemand?«
    Carl stößt Janie an. Sie stößt zurück.
    Doch dann … dann …
    »Ich möchte etwas sagen«, verkündet Dorothea.
    Janie bekommt innerlich Panik.
    Der Rabbi nickt und Dorothea macht ein paar unsichere Schritte aufs Grab zu, bevor sie sich umdreht, um zur Gemeinde zu sprechen.
    Was wird sie wohl sagen? Janie wirft Carl einen Blick zu und bemerkt, dass auch er beunruhigt ist.
    Auf dem offenen Platz ist Dorotheas dünne Stimme schlecht zu hören.
    Zumindest so lange, bis sie anfängt zu kreischen:
    »Henry war der Vater von Janie. Der einzige Mann, den ich je geliebt habe. Aber er verließ mich, nachdem ich für ihn die Schule geschmissen habe, und meine Eltern nahmen mich zu Hause nicht mehr auf. Er war verrückt und ein schrecklicher Mensch. Er hat mein Leben ruiniert und ich bin froh, dass er tot ist!«
    Dann beginnt sie am Verschluss ihrer Handtasche zu fummeln.
    »Mein Gott«, flüstert Carl.
    Die kleine Gemeinde ist völlig erstarrt. Janie eilt zu ihrer Mutter und führt sie an ihren Platz zurück. Sie spürt, wie ihr Gesicht glühend rot wird. Schweißtropfen laufen ihr über den Rücken. Sie meidet die Blicke der anderen Trauergäste. Zutiefst beschämt.
    Dass ihre Mutter es schafft, ihre Handtasche zu öffnen und sich nur ansatzweise bemüht, zu verbergen, dass sie einen Schluck aus ihrem Flachmann nimmt, macht die Sache nicht besser.
    Rabbi Greenbaum beeilt sich, etwas zu sagen.
    Carl legt Janie tröstend die Hand auf den Rücken. Er sieht zu Boden und sie kann seinen amüsierten Gesichtsausdruck erkennen. Am liebsten würde sie ihm auf den Fuß stampfen. Und ihre Mutter in das offene Grab stoßen. Sie fragt sich, zu was für einem Drama die Szene dann ausarten würde.
    Janie sieht auf, um die Aufmerksamkeit des Rabbi zu erregen.
    »Darf ich etwas sagen?«, fragt sie.
    »Natürlich«, nickt Rabbi Greenbaum, sieht allerdings ein wenig unsicher aus.
    Janie bleibt stehen, wo sie ist, und sieht nur den Sarg an.
    »Ich habe meinen Vater nur eine Woche gekannt«, erklärt sie. »Ich hatte ihn nie zuvor gesehen, ihm nie ins Auge geblickt. Aber in dieser kurzen Zeit habe ich eine Menge über ihn erfahren. Er blieb für sich und fiel niemandem zur Last. Er lebte das Leben, das ihm gegeben war, einfach so, wie er es für das Beste hielt. Er war nicht verrückt.«
    »Und ob«, murmelt Dorothea.
    »Er war nicht verrückt«, wiederholt Janie und ignoriert ihre Mutter. »Er hatte lediglich ein außergewöhnliches Problem, das nur schwer zu erklären ist, niemand würde es verstehen.« Sie muss ein Schluchzen unterdrücken und sieht ihre Mutter an. »Ich glaube und werde immer glauben, dass Henry Feingold ein guter Mensch war. Und ich bin überhaupt nicht froh, dass er tot ist.« Ihre Unterlippe zittert. Es ist, als ließe das Gefühl der Lähmung auf einmal nach. »Ich wünschte, ich hätte ihn wieder, damit ich ihn kennenlernen kann.« Tränen rinnen ihr übers Gesicht.
    Als klar ist, dass Janie nichts mehr zu sagen hat, spricht der Rabbi das Kaddish, ein Gebet. Dann lächelt er und bittet Janie, auf die andere Seite des Grabes zu kommen, und führt sie zu einem Haufen Erde. Carl nimmt Dorothea am Arm und folgt ihr. Mehrere Schaufeln stecken im Boden.
    Janie hält eine volle Schaufel über das Loch im Boden. Ein wenig Erde rutscht herunter und fällt auf den Sarg. Sie kann es kaum ertragen, die Schaufel zu

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