SLEEP - Ich weiss, was du letzte Nacht getraeumt hast
drehen. Der Rabbi murmelt etwas von Staub zu Staub, und endlich gelingt es ihr, die Schaufel zu wenden. Das Geräusch, mit dem die Erde auf den Sarg trifft, dreht ihr fast den Magen um.
Dorothea lässt die Erde mit zitternden Armen von ihrer Schaufel gleiten, und auch Carl lässt Erde auf den Sarg fallen. Danach folgen alle Anwesenden dem Beispiel und nacheinander füllen sie das Grab mit Erde.
Plötzlich verliert Dorothea die Beherrschung.
Sie fällt auf die Knie, als würde sie erst jetzt realisieren, was geschieht.
»Henry!«, ruft sie. Ihr Schluchzen geht in heftiges Heulen über. Janie bleibt einfach neben ihr stehen, unfähig, ihr zu helfen, unwillig, sie zum Aufhören zu bewegen.
Was für ein Wahnsinn. Sie kann sich schon vorstellen, wie die Jungs in der Abteilung darüber reden, über Janies Mutter, die Säuferin, die eine Beerdigung ruiniert hat, die herumgebumst hat und eine uneheliche Tochter hat und zu nichts nutze ist, außer peinlich zu sein. Sie schüttelt den Kopf und Tränen rinnen ihr über die Wangen, als sie die nächste Schaufel voll Erde nimmt.
Es spielt sowieso keine Rolle.
Als sie fertig sind und der frische Erdhügel festgeklopft worden ist, muss sich Janie wohl oder übel den Gästen stellen. Carl bringt Dorothea zum Wagen.
Janie legt die Schaufel weg, richtet sich auf und Captain steht vor ihr.
Sie umarmt Janie. Hält sie. »Das hast du gut gemacht. Mein herzliches Beileid.«
»Danke«, erwidert Janie und erneut fließen die Tränen. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Janie an Captains Schulter ausweint. »Ich schäme mich so furchtbar.«
»Lass es.« Captains Stimme ist streng, es ist wie ein Befehl. Für Janie ist es schön, dass wenigstens einen Augenblick lang jemand anderes die Verantwortung übernimmt. Eine Erleichterung. Captain klopft Janie auf den Rücken. »Willst du die Schiv’a begehen?«
Janie legt den Kopf zurück, um sie anzusehen. »Ich glaube nicht. Was ist das noch mal?«
Captain lächelt. »Es ist eine Zeit der Trauer. Normalerweise dauert es ein Woche, aber das hängt ganz von dir ab.«
Janie schüttelt den Kopf. »Wir … ich … Bis letzte Woche wusste ich nicht einmal, dass er Jude war. Wir leben nicht nach dem Glauben oder so.«
Captain nickt und nimmt ihre Hand.
»Wenn du bereit bist, komm zu mir ins Büro. Keine Eile, okay? Ich glaube, wir müssen uns unterhalten.«
Janie nickt. »Ja, das müssen wir.«
Captain drückt ihre Hand, und Janie begrüßt die Jungs aus der Abteilung. Sie würde gerne etwas erklären und sich für das Verhalten ihrer Mutter entschuldigen, aber sie lassen sie gar nicht zu Wort kommen. Sie drücken ihr Beileid aus, und am Ende bringen sie Janie sogar zum Lachen. Es ist wie immer.
Ein gutes Gefühl.
Cathy bleibt beim Grab stehen, bis die Männer fort sind, und geht dann auf Janie zu. »Vielen Dank für die Nachricht.«
»Er würde sich freuen, wenn er wüsste, dass Sie gekommen sind«, meint Janie.
»Ich habe ein paar Pakete abgestellt. Sie sind draußen vor der Tür. Soll ich sie an die Absender zurückschicken?«
Janie überlegt einen Augenblick. »Nein, ich kümmere mich darum. Wahrscheinlich werde ich morgen auch ein paar Sachen wegschicken, also …« Sie will es nicht hier erklären. Nächste Woche wird sie alle Zeit der Welt haben, mit Cathy zu reden.
»Bestell einfach einen Abholtermin übers Internet wie letztes Mal, ja? Dann hole ich es ab.« Cathy sieht auf die Uhr. »Ich muss wieder an die Arbeit. Pass auf dich auf. Und es tut mir wirklich leid.«
»Ich glaube, Sie kannten ihn am besten von uns allen, Cathy. Ihnen auch herzliches Beileid.«
»Na ja, ja, danke.« Cathy sieht zu Boden, bevor sie sich abwendet und zu ihrem Laster zurückgeht.
Charlie und Megan umarmen Janie zusammen.
»Kommst du klar, Kleines?«, fragt Charlie.
»Natürlich tut sie das«, erwidert Megan für sie. »Sie ist ganz schön zäh. Aber wenn du uns brauchst, sind wir für dich da, ja?«
Janie nickt und bedankt sich bei ihnen.
Und dann sind Carrie und Stu da, um sie zu trösten. Stu trägt dasselbe Hemd und die altmodische Krawatte, die er schon zur Abschlussfeier getragen hat, und bei dem Gedanken daran muss Janie lächeln. So viel ist seitdem passiert.
»Ich kann kaum glauben, wie viele Leute gekommen sind«, sagt Janie. »Vielen Dank. Das bedeutet mir wirklich viel.«
Carrie ergreift Janies Hand und drückt sie.
»Natürlich sind wir gekommen, du Verrückte.«
Lächelnd erwidert Janie den Händedruck, hält aber
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