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Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Titel: Slow Travel: Die Kunst Des Reisens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Kieran
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sollen. Pfad hin oder her, ich hatte mich dazu entschieden, das Kielschwert meines kleinen Dingis aufzuholen und mein Glück auf See zu versuchen.
    Die Sonne warf meinen Schatten in Richtung der Downs, und ich benutzte ihn als Wegweiser. Dabei beunruhigte mich der Pfad oder vielmehr sein Fehlen weit weniger als die Hecken und Zäune, die meinen Weg verstellten. Wenn man eine Karte von England zeichnen und nur die Teile kolorieren würde, die man betreten darf, dann würde die Nation ziemlich mickrig und monochrom aussehen. Es ist ja schön und gut, all diese wunderbaren Aussichtspunkte zu haben, doch es ist wie eine Safari zu Fuß, bei der man von imaginären Mauern eingeschlossen ist und die Landschaft nur anstarren kann, ohne ihre üppige Vielfalt zu spüren oder zu riechen.Ich fragte mich, ob es die Fantasie einschränkt, wenn man davon abgehalten wird, die Landschaft auf diese Weise zu genießen. Nur die Fasane scheinen tatsächlich die Freiheit zu haben, das Land zu durchstreifen, doch wenn einem dafür eines Tages der Kopf weggeschossen wird, ist es ein ziemlich hoher Preis.
    Etwa eine Stunde später kam ich wieder auf einen rechtmäßigen Weg, ich hatte mich am Stacheldraht geschnitten, blutete etwas und schwitzte heftig. Ich hatte mich hoffnungslos verlaufen, war aber nun gewissermaßen wieder auf Kurs. Mein Schatten hatte mich in einem Feld verblühter Sonnenblumen in die Irre geleitet, und ich musste einen halben Kilometer an der Hauptstraße entlanglaufen, bevor ich bei einem Bauernhof rechts abbog. Ich erreichte einen Feldweg und atmete auf, da das Risiko, von einem aufgebrachten Bauern erschossen zu werden, sich nun deutlich verringert hatte. Schon vor Monaten hatte ich gehört, dass Rotmilane in den Downs nisteten, und manche waren sogar schon im südlich gelegenen Chichester gesichtet worden. Ich hatte selbst keinen gesehen, abgesehen von einigen verschwommenen Umrissen aus dem Autofenster, doch nun, fast genau in dem Moment, als ich die Straße verließ, glaubte ich, einen weit oben im Aufwind fliegen zu sehen. Die Form und die Flugweise schienen mir richtig, doch ich war mir nicht vollkommen sicher. Dann fiel die Straße plötzlich ab, und ich konnte direkt vor meiner Nase die unverwechselbaren Silhouetten zweier Rotmilane ausmachen, die lässig in der Luft hingen. Für einen Raubvogelfreund wie mich war es ein Moment reinster Freude. Die Milane erobern die englische Landschaft zurück, und es ist ein wunderbarer Anblick.
    Als ich an den Waldrand kam, blickte ich zurück, um einen Hinweis auf die römische Straße auszumachen, doch jede Spur von ihr ist längst verschwunden. Wie ich spätererfuhr, hätte ich sie damals gar nicht benutzen dürfen. Die Straßen waren Händlern und Soldaten vorbehalten; Bauern wie ich hätten auf die Wege zurückgreifen müssen, die zwischen den Dörfern verliefen und weitaus holpriger waren. Das Land war bewaldet, bewirtschaftete Hügel und Felder wechselten sich mit brachliegenden ab, die sich vom Sommer erholen sollten, und mit solchen, die voller üppiger erster Blätter des Wintergemüses waren. Die Farbskala von Braun, Orange und Grün überwältigte mich, und die mittlerweile niedrig stehende Sonne verlieh dem Himmel eine weißlila Färbung.
    Ich strebte auf den Wald zu und begann vor lauter Vorfreude, größere Schritte zu machen. Allein in einem Waldgebiet zu wandern und sich zu verirren ist einer meiner Lieblingstagträume, aber es sollte nicht sein. Im West Dean Forest gibt es einige öffentliche Reitwege, aber die Wege, die besonders verlockend ins Unterholz führen, sind alle mit Schildern versehen, die PRIVAT! KEIN ÖFFENTLICHER DURCHGANG schreien. Anstatt in die Tiefen des Waldes einzutauchen, musste ich ihn umrunden. Wieder sah ich die Fasane, die sich frei bewegen konnten, und schmollte einen Moment. Aber der Umweg bedeutete auch, dass ich langsamer vorankam, also nahm ich diese Unannehmlichkeit hin. Dann hörte ich die Holzfäller. Es handelte sich offensichtlich um einen Nutzwald, und vermutlich rechtfertigt ein prozessfreudiger Spaziergänger, der vielleicht einmal einen hässlichen Splitter abbekommen hat, dass der Rest von uns ferngehalten wird.
    Als ich den Kiefernwald umrundete, war die Sonne zum ersten Mal, seit ich die Downs gesehen hatte, verschwunden. Herrenlose Maschinen und große Stapel gefällter Bäume, die mit einer leichten Plane abgedeckt waren, riefen in mir ein Gefühl stillvergnügter Einsamkeit hervor, währendder schlammige Pfad

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