Small World (German Edition)
war es zum Gästehaus umgebaut worden, mit einem Wohnzimmer mit Ohrensesseln und Rauchtischchen, Nußbaumregalen, einer eingebauten Bar, einem kleinen Klavier, massiven Nußbaumtüren mit Messingfallen und Wappenscheiben an den doppelverglasten Fenstern. Neben dem Wohnzimmer befanden sich ein Schlafzimmer, ein Bad und eine Toilette. Im oberen Stock gab es vier weitere Schlafzimmer und noch ein Bad. Küche gab es keine.
Es war nie ein besonderer Erfolg gewesen. Als Gästehaus war es von der Lage her etwas diskriminierend, wenn man es mit den großen, luftigen Gästezimmern mit Seesicht der Villa verglich, und Personalwohnungen hatte man genug seit dem Ausbau des Dachstocks in den Sechzigerjahren.
So hatte das Gästehaus meistens leer gestanden, mit kurzen Unterbrechungen während gewisser Ehekrisen, wenn es von Thomas Koch oder seinen Frauen als Schmollwinkel benutzt wurde.
Simone Koch besann sich auf ihr Organisationstalent, mit dem sie während ihrer kurzen beruflichen Laufbahn als Sekretärin in einer Filmproduktionsgesellschaft ihre Arbeitgeber verblüfft hatte. Diese hatten sie ohne große Erwartungen ihrem Vater zuliebe eingestellt, der in einflußreicher Position bei einem der wichtigsten Werbeauftraggeber des Landes tätig war.
In knapp zwei Wochen hatte sie das Gästehaus für die Bedürfnisse von Konrad Lang und seinen Betreuern umfunktioniert. Das Bad war jetzt kleiner, aber nach Spitalstandards eingerichtet, im gewonnenen Raum wurde eine moderne, kompakte Küche eingebaut, die Toilette war mit Stützen und Handgriffen versehen, im Schlafzimmer stand ein multifunktionales Spitalbett – das Neueste, was der Markt zu bieten hatte. Das Wohnzimmer war sanft renoviert: die alten Möbel aufgefrischt, der Spannteppich entfernt und das Parkett versiegelt, die Tapete weiß gestrichen, die schweren, muffigen Vorhänge durch luftige, helle ersetzt und die Hausbar auf Anraten des Neurologen geleert.
Im ersten Stock entstanden zwei freundliche Personalschlafzimmer, ein Bad und ein Fitneß- und Therapieraum, ein Personalzimmer mit Kochnische, Fernseher und zwei Monitoren, über die die unteren Räume diskret überwacht werden konnten.
Alle Fenster und die Haustür waren nur mit Sicherheitscodes zu öffnen.
Die Leiterin eines privaten Hauspflegedienstes hatte Simone bei der Einrichtung beraten und auch das Pflegepersonal gestellt:
Für die Tagespflege: Frau Irma Catiric, 46, Jugoslawin, diplomierte Krankenschwester und Altenpflegerin, seit 22 Jahren in der Schweiz.
Für die Nachtpflege: Frau Ranjah Baranaike, 38, Tamilin aus Sri Lanka, seit neun Jahren in der Schweiz, davon fünf Jahre als Hilfsschwester in einem Altenpflegeheim, Diplome als Krankenschwester und Säuglingsschwester, die in der Schweiz nicht anerkannt wurden, da sie aus Colombo stammten.
Als alternierende Ablösung für den Tag- und den Nachtdienst Jacques Schneider, 33, Schweizer, diplomierter Krankenpfleger, der auf dem zweiten Bildungsweg Medizin studierte und mit Nachtdienst sein Studium finanzierte.
Auch an eine Reserve hatte man gedacht, für den Fall, daß jemand vom festen Pflegepersonal einmal ausfiel: Sophie Berger, 44, Schweizerin, diplomierte Krankenschwester und Altenpflegerin, Mutter von zwei Kindern, seit diesem Jahr wieder berufstätig.
Für die Diätküche: Luciana Dotti, 53, Italienerin, seit 33 Jahren in der Schweiz.
Für die Physiotherapie: Peter Schaller, 32, Schweizer, diplomierter Physiotherapeut mit Spezialgebieten Geriatrie und Neurologie.
Für die Beschäftigungstherapie: Joseline Jobert, 28, Schweizerin, abgebrochenes Psychologiestudium, Beschäftigungstherapeutin in mehreren privaten Altersheimen.
Für die neurologische Betreuung hatte sich Dr. Felix Wirth, 47, zur Verfügung gestellt. Die allgemeinmedizinische lag in den Händen von Dr. Peter Stäubli, 66, der nur noch eine Handvoll seiner langjährigen Patienten betreute. Unter anderem Frau Elvira Senn.
Das Reinigungspersonal bestand aus zwei jüngeren Frauen aus Rumänien und Albanien, beide kaum der deutschen Sprache mächtig, aber mit Erfahrung im Spitaldienst.
An einem kalten Spätnovembertag zog Konrad Lang im Gästehaus der »Villa Rhododendron« ein.
»Small world!« waren seine ersten Worte, als er ins Wohnzimmer trat.
Wenn Simone noch einen Beweis gebraucht hätte, daß Konrad Lang nicht in den sechsten Stock des »Sonnengartens« gehörte, dann hätte die Veränderung, die vom ersten Tag an mit ihm vorging, vollends genügt. Er blühte auf. Er
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