Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
Vom Netzwerk:
glücklich«, antwortete er, »glücklich, daß Tante Sophie und Tante Klara noch leben.«
    »Ach, und ich dachte, Sie hätten keine Angehörigen.«
    »Wie kommen Sie denn darauf?« entgegnete er.
    Als Simone Elvira Senn von Konrads Selbstmordversuch berichtete, war diese nicht sehr interessiert.
    Aber als sie sie fragte, wer Tante Sophie und Tante Klara seien, horchte sie auf.
    »Hat er von Tante Sophie und Tante Klara erzählt?«
    »Was heißt erzählt, getroffen hat er sie.«
    »Die beiden sind seit sechzig Jahren tot«, schnaubte Elvira.
    Als Simone eine Viertelstunde später ging, hatte Elvira ihr versprochen, sich die Sache mit dem Gästehaus noch einmal zu überlegen.
    Die Heimverwaltung war schnell überzeugt. Für sie bedeutete das einen freien Pflegeplatz, und sie wurde darüber hinaus einen Patienten los, der in letzter Zeit viel Unruhe gestiftet hatte. Am Tag nach seinem Sprung von der Feuertreppe war er von seiner neuen Besucherin angetrunken nach Hause gebracht worden und hatte die kleine Frau Spörri angepöbelt.
    Die Behörden begrüßten die Privatinitiative der Familie Koch im Hinblick auf den herrschenden Pflegenotstand und die Tatsache, daß sie dadurch auch finanziell entlastet wurden. Konrad Lang war mittellos, ohne Angehörige und ein Mündel der Stadt.
    Thomas Koch war vor allem überrascht über den Sinneswandel von Elvira. »Ich verstehe dich nicht«, sagte er. »Jetzt, wo du ihn endlich los sein könntest, holst du ihn hierher.«
    »Er tut mir leid.«
    »Das kannst du ja auch anders beweisen.«
    »Ich bin bald achtzig. Ich muß nichts mehr beweisen.«
    Thomas war die Vorstellung, von der Hinfälligkeit seines gleichaltrigen früheren Spielkameraden ständig an die Vergänglichkeit des Lebens gemahnt zu werden, unangenehm. »Bring ihn meinetwegen in einer Privatklinik unter, aber doch nicht hier.«
    »Weißt du, ich vergesse nie, wie du damals gebettelt hast, bitte Mama, bitte, darf er bleiben.«
    »Da war ich ein Kind.«
    »Er auch.«
    Thomas Koch schüttelte seinen fleischigen Kopf. »So hast du noch nie geredet.«
    »Vielleicht schließt sich so der Kreis.« Elvira stand von ihrem Sessel auf als Zeichen dafür, daß sie die Diskussion als beendet betrachtete.
    »Aber ich kümmere mich nicht um ihn«, sagte Thomas Koch.
    Bei Urs brauchte es etwas mehr.
    »Das darf nicht dein Ernst sein«, lachte er.
    »Ich weiß, es muß dir etwas exzentrisch vorkommen.«
    »Exzentrisch ist gut. Warum willst du das tun?«
    »Vielleicht für seine Mutter, Anna Lang. Sie war mir damals, als es mir schlechtging, eine gute Freundin.«
    »Bevor sie mit einem Nazi durchbrannte und ihr Kind sitzenließ.«
    Elvira hob die Schultern. »Soll jetzt auch noch ich das Kind sitzenlassen?«
    »Koni ist kein Kind. Er ist ein aufdringlicher alter Mann, der uns sein Lebtag auf der Haube gesessen hat und jetzt so gaga geworden ist, daß man ihn einliefern mußte. Durfte.«
    »Er war nicht immer ein aufdringlicher alter Mann. Er war auch ein guter Spielkamerad und treuer Freund von deinem Vater.«
    »Dafür wurde er wohl reichlich entschädigt. Sein ganzes Leben keinen Finger gerührt.«
    Elvira schwieg. Urs hakte nach.
    »Ich bitte dich, mach diese Dummheit nicht. Dafür ist der Staat zuständig. Von dem, was wir allein privat an Steuern bezahlen, könnte man Dutzende von Konis pflegen. Diese Pflegeheime sind gut.«
    »So gut, daß sich die Patienten der geschlossenen Abteilung von der Feuertreppe stürzen können.«
    »Das einzige, was ich denen vorwerfe, ist, daß sie ein Sprungkissen darunter gelegt haben.«
    »Es gibt noch einen anderen Grund, warum ich dafür bin. Simone braucht eine Aufgabe.«
    »Ach ja?«
    »Schau sie dir doch an. Aber das tust du wohl nicht.«
    »Simone hat sich die Ehe anders vorgestellt. Deswegen braucht sie nicht gleich Mutter Teresa zu spielen.«
    »Seit sie sich um Koni kümmert, geht es ihr besser.« Etwas anzüglich fügte Elvira hinzu: »Vielleicht spricht er ihre Muttergefühle an.«
    Urs wollte etwas einwenden, überlegte es sich aber anders und stand abrupt auf.
    »Du bist wohl nicht davon abzubringen.«
    »Ich denke nicht.«

7
     
    Das Gästehaus der »Villa Rhododendron« war ursprünglich ein Waschhaus gewesen mit Dienstmädchenzimmern im oberen Stock. Es bestand, wie die Villa, aus rotem Backstein und besaß einen Taubenschlag in der Form ihres Turmes. Es lag auf der Rückseite der Villa, mit Blick auf Küche und Wirtschaftsräume im schattigen Teil des Parks.
    In den Fünfzigerjahren

Weitere Kostenlose Bücher